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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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würde, und was war das Wichtigste, was sie von ihm lernen konnte? Würde sie seine Hilfe annehmen, seinen Rat in weltlichen Belangen? Und was für einen Rat hatte er zu geben? Doch sie hatte ihn längst für sich erkoren, wollte stets die erste Stunde des Tages von ihm gehalten werden, und wenn sie dann von ihm heruntergeklettert war, blieb sie immer an seiner Seite, blickte oft zu ihm hoch. Versuchte herauszufinden, wie er bestimmte Dinge, die sie gemeinsam sahen, empfand. Sie liebte ihn abgöttisch, und er wiederum fühlte sich von seiner Liebe zu ihr vollständig definiert; die Qualität des Gefühls, das sie verband, läuterte und erfüllte ihn. Und doch machte es – in seiner Ernsthaftigkeit – ihm manchmal Angst.
    Aber er wusste nicht, wie er Della dies mitteilen sollte. Er wusste nicht, welche Wirkung diese Worte auf sie haben würden. Er verstand nicht, konnte nicht verstehen, wie sie das Kind sah: was Angelene ihr bedeutete.
     
    Trotz Dellas Abwesenheiten und Angelenes Angst, sich von ihrer Tante umarmen zu lassen, gab es zwischen ihnen Momente offensichtlicher Gemeinschaft. Den Rest dieses Sommers blieb Della bei Talmadge und Angelene auf der Plantage – nicht so sehr aus freier Entscheidung, sondern aus Gründen, die mit dem Verkauf der Pferde zu tun hatten; das ganze Geschäft stockte in diesem Sommer ein wenig –, und am Nachmittag gingen sie häufig alle drei zum oberen Teich. Della nahm Angelene auf die Schultern, die kleinen Fäuste des Kindes fest in den ihren. Talmadge angelte einen Großteil der Zeit, und danach, wenn er die Fische für ihr Abendessen über dem offenen Feuer briet, schwammen die Mädchen. Angelene saß nackt im Seichten, während Della, die außer ihrem Hut keins ihrer Kleidungsstücke abgelegt hatte, weiter hinauswatete, untertauchte und wieder hochkam; das Haar klebte ihr am Kopf, Wasser strömte aus ihren Augen, und sie rief Angelene, die sie von Weitem beobachtete, etwas zu. Was sagte Della zu ihr? Was waren ihre Worte? Talmadge konnte sich nicht erinnern. Wortketten, Halbsätze, in jenem Singsang vorgebracht, in den sie immer verfiel, wenn sie mit der Kleinen sprach, rührend und irgendwie traurig, weil ihre Stimme so rau und kindlich war; sie war ja selbst kaum mehr als ein Kleinkind, dachte Talmadge – ein kleines Kind, das einem anderen Zeichen gab. Della war damals etwas über siebzehn. Doch für Talmadge war sie jünger, ein ewiges Kind.
    Ein anderes Mal – vielleicht ein, zwei Jahre später, in einer anderen Jahreszeit, im Herbst – sah Talmadge, als er auf die Veranda trat, wie Della unten auf dem Feld Angelene auf der Hüfte trug. Sie standen vor einem Pferd: einer wunderschönen, muskulösen Fuchsstute. Angelene war ziemlich groß für ihr Alter, gut ein Drittel so groß wie Della. Della hatte die Hände unter ihrem Po verschränkt, und die Beine des Kindes baumelten lang herab. Das Pferd, das sie betrachteten, war ein zahmes Pferd, wie er sich sofort vergewisserte, denn er wollte nicht, dass Angelene in die Nähe eines Wildpferds kam. Es mochte Clees Pferd sein oder Dellas eigenes. Ja, es war wohl Dellas Pferd, und sie zeigte es Angelene. Das Feld wimmelte von Pferden, und die Männer liefen geschäftig hin und her, sie waren dabei, ihr Lager abzubrechen. Vielleicht verabschiedete sich Della auch von Angelene, dachte Talmadge, denn sie würde die Männer die ganze Saison lang begleiten, mit ihnen im Süden überwintern. Er dachte, Della und das Kind betrachteten das Pferd nur, doch als Della ein wenig das Gesicht drehte, um Angelene anzuschauen, sah er, dass sie mit dem Mädchen sprach; und kurz darauf antwortete ihr das Kind, hob den Arm und zeigte auf das Pferd, bevor es den Arm wieder fallen ließ.
     
    Später waren diese friedlichen Momente zwischen Della und Angelene die Ausnahme, nicht die Regel. Angelene quengelte, sobald Della sich ihr näherte. Zuerst tat Della die Ablehnung des Mädchens ab und lachte: Dummes Kind. Doch dann schien es fast, als würde sie böse, wenn das Mädchen nicht sofort zu ihr kam, ihre Zuwendung annahm. Einmal kehrte Della mit den Männern zurück und wohnte mit ihnen unten im Lager, als hätte sie keine nähere Beziehung zu Talmadge oder Angelene; sie grüßte sie noch nicht einmal. Und als er eines Abends hinunterging und sie zwischen den Feuern sitzen sah, blickte sie zu ihm hoch und sagte nach kurzem Zögern: Abend. Er fragte sie, ob sie zu ihm auf die Veranda kommen wolle, sich mit ihm unterhalten und das

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