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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Pferd in der Luft schwebte, wich alles Gefühl aus ihren Gliedern, und sie spürte nur das stetige, beschleunigte Schlagen ihres Herzens. Es war, als löste sie sich auf.
    Bist du bereit?, flüsterte der Mann zu ihrer Rechten. Antwortete sie ihm? Offenbar schon, denn das Brett fuhr krachend hoch, und das Tier unter ihr machte einen Satz.
    Sie sah Verzweiflung, so wie man einen festen Gegenstand in der Ferne sieht. Und dann war sie mittendrin. Mitten hindurch.
    Vielleicht sehnte sie sich nicht so sehr nach der Verzweiflung selbst, sondern dem Moment danach: dem glanzvollen Erlebnis,
nicht zu fallen.
Dem Erfolg.
    Aber nein. Was als Erfolg galt – der Applaus, die Jubelrufe, die Leistung; schon war sie vom Pferd herunter, schüttelte Hände, wurde beglückwünscht –, erfüllte sie nicht. Nicht einmal ansatzweise. Was sie wollte, war die Verzweiflung oder etwas Zweites, das dort zu finden war. Etwas, das bei der Verzweiflung wohnte. Doch sobald sie mittendrin war, fand sie nicht mehr, was es eigentlich war, das sie so dringend brauchte.
    Und so würde sie wieder reiten.

    Nach Angelenes neuntem Geburtstag nahm Talmadge sie mit zum äußersten Ende des Apfelgartens und zeigte ihr ein Areal von etwa 0 , 1  Hektar, das er mit kleinen Holzpfosten im Boden abgeteilt hatte. Diese Pfosten markierten die Grenze des Obstgartens, der ihr gehören würde. Sie allein wäre dafür verantwortlich, das Land zu roden, den Boden zu kultivieren, die Bäume auszusuchen und zu pflanzen. Als er ihr dies erklärte, hüpfte ihr Herz vor Freude. Ihre Hände wurden feucht. In ihrer Aufregung und Verwirrung fragte sie: Hat Della auch so ein Stück Land?
    Nein, antwortete er nach kurzem Zögern. Zu dem Zeitpunkt hatten sie Della drei Jahre lang nicht gesehen. Angelene verstand selbst nicht, warum sie diese Frage gestellt hatte.
    Und so begann sie, ihren eigenen Obstgarten zu bewirtschaften und sich mit vielem zu beschäftigen, worüber sie noch nie nachgedacht hatte, etwa damit, welche Bäume sie aussuchen und was auf ihrem Boden gedeihen würde, in welchem Abstand sie die Bäume pflanzen sollte und wo sie sie herbekam. Talmadge beobachtete ihre Anstrengungen und beantwortete ihre Fragen. Er kaufte ihr ein kleines Notizbuch, wie er selbst eins hatte, das sie bei der Arbeit in die Brusttasche ihres Overalls stecken konnte. Sie begann, sich für die Werkzeuge im Eisenwarenladen zu interessieren, für die Preise der verschiedenen Samen. Trotz ihres Alters hatte sie eine grobe Vorstellung davon, was teuer war, was überteuert und was preiswert. Sie und Talmadge beratschlagten über solche Dinge auf den langen Fahrten in die Stadt und zurück.
    Das meiste lernte sie vom Zuschauen. Sie beobachtete ihn bei allem, was er tat; sie war sein Schatten in den Bäumen.

    Einmal ließen Clees Männer Della zurück, nicht bei jener Auktion, wo sie sich in der langen Gasse auf das Pferd hatte fallen lassen, sondern zwei Jahre später, als sie sich eines Abends mit Maisschnaps betrank, den ein Fremder ihr angeboten hatte. Sie kam spät zurück ins Lager – das sie trotz aller Benommenheit schließlich fand –, und der Cowboy führte sie zu ihrem Schlafsack und befahl ihr, still zu sein. Als sie sich übergeben musste, kam Clee aus seinem Zelt und setzte sich zu ihr, um ihr zu helfen. Am nächsten Morgen stellte sie fest, dass die Männer ihre Zelte abgebrochen hatten und fort waren. Sie hatten sie zurückgelassen. Gegen Mittag holte sie sie ein, doch keiner der Männer würdigte sie eines Blickes. Nach dem Abendessen kamen Clee und der Cowboy zu ihr, und der Cowboy sagte ihr, wenn sie sich noch einmal so benehme, dürfe sie nicht mehr bei ihnen mit reiten. Sie sagte, das verstehe sie. Aber um Entschuldigung bat sie nicht.

    Aus irgendeinem Grund – sie wusste hinterher nicht mehr, warum – wollte Angelene neben ihren vier Apfelbäumen, einem Kirschbaum und einem Pfirsichbaum auch ein Kürbisbeet anlegen. Talmadge zuckte mit keiner Wimper, als sie ihm das eröffnete. Es war seine Aufgabe, die ersten Samen für sie zu besorgen.
     
    Della glaubte, das Umherreisen mit den Männern würde lange andauern. Wenn sie mit ihnen ritt, wenn sie auf irgendeiner graugrünen Hochebene ihr Lager aufschlugen, um am nächsten Abend oder vielleicht am Morgen darauf Spokane zu erreichen, hatte sie tief im Inneren das Gefühl, dass es noch lange so weitergehen würde. So lange, wie ihre Vorstellungskraft reichte. Und sie würde sich nie verändern, würde nie jemand

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