Im Mittelpunkt Yvonne
es ganz still, nur die Geräusche des erkaltenden Motors waren zu hören. Dann begann ein unternehmungslustiger Frosch zu quaken, seine Artgenossen stimmten ein, und die Nacht war erfüllt von vielen kleinen Stimmen.
Lucille schob sich mit einer Drehung des Oberkörpers aus dem engen Raum hinter dem Lenkrad näher zu mir und legte den Kopf gegen das Rückenpolster, so daß ihre Wange meine Schulter berührte. Sie hatte die Augen halb geschlossen, das Mondlicht zeichnete ihre Rundungen bildschön ab. Es war allein schon ein Genuß, dieses schöne Mädchen zu betrachten, aber auch eine große Verlockung für mich, Lucille an mich zu ziehen.
Ich legte den Arm um sie, ihr Kinn kam ein wenig höher, und ich küßte ihren Mund.
Das war ein Kuß! Er fuhr mir wie elektrischer Strom durch den Körper. Ich versuchte zu ergründen, wie ich dazu gekommen war und wie sie mich nun einschätzen mochte. Doch sehr bald war es aus mit dem logischen Denken.
Während ich sie noch so umarmt hielt, berührte ich mit den Lippen ganz leicht ihre Stirn und streichelte mit den Fingerspitzen ihren schönen Nacken. Sie seufzte und schmiegte sich an mich.
Zehn oder fünfzehn Minuten saßen wir schweigend da, beobachteten das Spiel des Mondes auf dem Wasser, spürten die Wärme der samtigen Dunkelheit und lauschten den nächtlichen Geräuschen am Ufer. Dann rührte sie sich sanft und schmiegte sich noch ein wenig fester an mich. Ich küßte sie wieder und wollte sie noch recht lange küssen.
Ganz plötzlich schob sie mich zurück und glitt wieder auf ihren Platz hinter dem Lenkrad. Ich wollte ihr nachrutschen, doch sie hielt mich mit der rechten Hand davon ab, drehte mit der linken den Zündschlüssel, schaltete die Beleuchtung ein und fuhr rückwärts an, um zu wenden.
»Lucille«, sagte ich leise.
»Ja, Donald?« antwortete sie und fügte ebenso leise hinzu: »Ich will versuchen, es Ihnen zu sagen.«
»Was wollen Sie sagen?«
»Sie haben sich gewundert, was ich wohl von Ihnen erwartete und wie weit Sie gehen könnten. Es ist vielleicht besser, wenn ich gleich sage: So war es weit genug.«
»Für Sie«, sagte ich.
»Für uns beide, Donald. Sie sind ein feiner Kerl. Lassen Sie’s uns nicht verderben.«
Als Mondlicht durch die Windschutzscheibe fiel und über ihr Gesicht tanzte, konnte ich sehen, daß ihr Mund ein wenig geöffnet war. Dann hörte ich sie gepreßt atmen. Ihre Augen waren groß und sprachen deutlich von ihren Gefühlen. Die Art, wie sie das Tempo des Wagens steigerte, ließ kaum Zweifel, daß sie diese idyllische Gegend schleunigst wieder verlassen wollte. Über den Sommerweg jagte sie rücksichtslos schnell, und erst nachdem wir wieder auf der festen Fahrbahn waren, die Brücke überquert und uns in den Strom des Verkehrs eingeschleust hatten, mäßigte sie das Tempo. Ihre nervöse Spannung schien nachzulassen. Ein paarmal fiel mir auf, daß sie mich von der Seite beobachtete.
Sie blieb stumm, und ich schwieg auch, während wir durch die Stadt fuhren. Kurz vor dem Hause, in dem sie wohnte, schaltete sie Motor und Lampen aus und hielt mit weichem Bremsdruck vor dem Eingang.
»Gehe ich mit nach oben?« fragte ich.
»Kommt nicht in Frage.«
Ich setzte mich gemütlicher hin und sagte nichts.
»Ihre Prüfung haben Sie bestanden«, sagte sie. »Mit Glanz sogar, finde ich. Was wollen Sie also von mir hören, Donald?«
»Alles, was Sie wissen.«
»Donald, ob ich Ihnen tatsächlich helfen kann, weiß ich nicht«, sagte sie, »aber folgendes sollen Sie erfahren:. Unsere Familie war immer ziemlich arm, nur Onkel Aaron hat es zu Wohlstand gebracht. Er ging nach Texas und kaufte sich dort Land, das damals beinah wertlos war. Immerhin hatte er die Ausdauer, dort zu bleiben, wohnte in einer primitiven Hütte, hielt ein paar Kühe und schlug sich bescheiden durch, bis dann - na, Sie können sich’s schon denken -, bis man da plötzlich auf Erdöl stieß. Also wurde er reich. Seine Frau war gestorben, und als er sich drüben zu einsam fühlte, kam er mal hier nach Kalifornien, um eine Abwechslung zu haben. Ich war der einzige Mensch aus der Verwandtschaft, der ihm früher schon Briefe geschrieben hatte. Als er kam, zeigte ich ihm die Sehenswürdigkeiten von Sacramento, heiterte ihn auf und machte ihm die Zeit so gemütlich wie möglich. Er fuhr nach Texas zurück und schrieb mir wieder einige Briefe.
Schließlich teilte er mir mit, er habe mich in seinem Testament als alleinige Erbin eingesetzt. Ich war einfach platt und
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