Im Mittelpunkt Yvonne
bange, Donald.«
»Wenn der Mensch bloß über das nachdenkt, was mal passieren kann, dann müßte er ja dauernd in Angst leben«, sagte ich. »Es gibt auch nicht eine einzige Situation, in der nicht Schlimmes passieren könnte.«
»Da haben Sie wohl recht.«
»Sie müssen ruhig Ihren Weg gehen und das Leben nehmen, wie es ist. Spielen Sie Ihre Trümpfe möglichst vorteilhaft aus und betrachten Sie alles von der freundlichen Seite. Man kann nicht unters Bett kriechen und sich vor dem Leben verstecken, sondern muß es anpacken und tragen, so oder so, bis man stirbt.«
»Ja, ich weiß«, sagte sie. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Donald, ich verstecke mich ja vor nichts, aber ich hatte Ihnen doch einmal erklären wollen, wie mir in dieser Lage zumute ist. Es ist gewiß begreiflich, daß ich verbittert bin, doch das habe ich außer Ihnen noch keinem Menschen gesagt.«
»Wissen Sie etwas über die Frau, die Ihren Onkel geheiratet hat?« forschte ich.
»Überhaupt nichts. Nur, daß sie beträchtlich jünger war als er und die Heirat sehr plötzlich erfolgte. Keine Verlobung und nichts vorher. Ich glaube, er hat sie in einem Hotel kennengelernt wo sie als Empfangsdame tätig war. Sie kannte sich mit den Männern aus und hat sicher genau gewußt, was sie wollte.«
»Also, die Briefe Ihres Onkels haben Sie alle noch?«
»Ja-«
»Heben Sie die gut auf«, sagte ich. »Was können Sie mir über Yvonne Clymer sagen? Auch wenn’s nur wenig ist.«
»Es wäre boshaft, wenn ich Ihnen sagte, was ich über sie gehört habe. Persönlich kenne ich sie gar nicht und würde sie auch nicht erkennen, wenn ich sie träfe. Eine Nichte meines Onkels ist sie nicht, eine Großnichte eigentlich.«
»Verstehe«, sagte ich. »Werde mich noch an verschiedenen Stellen nach ihr erkundigen.«
»Ist denn das, was ich Ihnen erzählt habe, für Sie von Wert, Donald?«
»Offen gestanden, nein. Ein bißchen vom Milieu habe ich dadurch erfaßt, aber weiter auch nichts. Wesentlich ist, daß mit diesem Drury Wells etwas faul ist, doch dadurch ändert sich nichts an der Gültigkeit des Bedfordschen Testaments. Es kann. Bigamie Vorgelegen haben oder eine sogenannte freie Ehe, aber das weiß ich noch nicht.«
»Donald, Sie sind nicht verheiratet, oder?«
»Nein.«
»Verlobt?«
»Nein.«
Einige Sekunden blieb Lucille stumm, dann sagte sie: »Mir hat der Abend viel Freude gemacht, Donald. Ich wollte mich gern mal aussprechen. Habe sonst niemanden, dem ich volles Vertrauen schenken kann, und weiß auch wahrhaftig nicht, warum ich gerade Ihnen soviel erzählt habe. Höchstens weil... weil ich Sie leiden mag. Schon von der ersten Minute an, als Sie an Ihrer offenen Autotür standen, gefielen Sie mir, und dabei hielt ich Sie zu der Zeit noch für einen skrupellosen Frauenjäger... Ich glaube, es kam nur, weil ich mich heute abend so einsam fühlte. Ach, wir wollen nicht mehr von geschäftlichen Dingen reden, Donald, und lieber ans Gutenachtsagen denken.
Also, mehr als ich gesagt habe, weiß ich nicht, Donald. Nur,
daß ich Sie gern habe und Sie Ihre Prüfung vollkommen bestanden haben... Wenn Sie sich jetzt nicht zu lange mit Abschiedsküssen aufhalten, könnten Sie noch rechtzeitig diesen Wagen zur Vermietung zurückbringen, könnten die letzte nach Los Angeles durchfliegende Maschine erreichen und hätten noch eine halbe Stunde übrig.«.-
Theoretisch hatte sie mit diesem Zeitplan auch recht, doch in der Praxis lief er ein bißchen anders ab. Ich hätte um ein Haar das Flugzeug verpaßt..
8
Unser Büro war am Samstag immer bis mittags geöffnet. Nachmittags hielten Bertha und ich meistens eine Besprechung ab, um das Programm für die kommende Woche ein bißchen einzuteilen. Bertha wollte wenigstens einmal wöchentlich die Geschäftsbücher und das Bankkonto prüfen und Fortschritte sehen.
Punkt neun Uhr an diesem Samstagmorgen betrat ich das Büro. Bertha war noch nicht da. Ich bat Elsie, mir sofort Bescheid zu sagen, wenn sie kam.
Etwa zehn Minuten nach neun erschien sie, und sobald sie durch die Tür war, machte Elsie mir Meldung. Ich ging in Berthas Privatbüro und sagte: »Wir machen um neun Uhr auf. Wo hast du denn gesteckt?«
Sie blickte mich ganz perplex an, öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch sie brachte nichts heraus. Ihr Gesicht nahm langsam die Farbe frischer Leber an. Schließlich fand sie die Sprache wieder.
»Wo ich gesteckt habe? Du unverschämter Lümmel, du Gartenzwerg, du wagst es, mich zu fragen, wo ich
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