Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
Konstruktion, ein Zusammenspiel von fast ästhetischer Klarheit. Wie von selbst suchte Swetja nach den Formeln, um zu beschreiben, was sie sah. Unmöglich, dass sie unter diesen Umständen auch nur anfangen konnte, ein Modell für das Ganze zu entwickeln. Doch es beruhigte sie, dass sie zumindest Teile der Maschine im Herzen der Zitadelle verstehen konnte.
Der Eisensteg klapperte unter ihren Füßen, und Swetja bewegte sich langsamer. Sie war zu Tode erschöpft. Deswegen glaubte sie, dass der Weg bald zu Ende sein müsse – er musste zu Ende sein! Da wollte sie keinen Lärm machen und sich verraten.
Und dann war der Weg zu Ende, und es gab keinen Ausgang.
Swetja stand in einer Sackgasse. Neben ihr verlief das Innere der Maschine in einer Hülle aus Glas. Swetja sah, wie sich das funkelnde Gebilde darin fortsetzte und in eine größere Anlage mündete. Aber der Steg daneben, auf dem sie ging, endete vor einer Wand aus blankem Stahl.
Sie tastete über das glatte Metall und suchte nach einem Riegel oder nach einer Luke. Sie studierte jeden Zoll der Außenwand, den sie erreichen konnte. Dann, zwei Schritte von dem toten Ende des Wegs entfernt, entdeckte sie einen Mechanismus.
Sie lauschte kurz und legte die Hebel um. Ein Stück der Wand ließ sich nach außen klappen, und durch den Spalt blickte Swetja in eine gewaltige Halle. Vorsichtig spähte sie durch die Öffnung und drehte den Kopf. Hoch oben konnte sie kleine Fensteröffnungen sehen, durch die Tageslicht fiel.
Abgesehen von dem Rohr, in dem sie kauerte, und von dem ummauerten Block, in dem es endete, wirkte die Halle leer. Ein schwerer Geruch lag in der Luft. Staub tanzte in den Lichtsäulen, und der Raum war dämmrig. Swetja schätzte, dass es draußen Mittag sein musste, und heller würde es vermutlich nicht werden. Alles war still.
Swetja schob sich durch die Klappe nach draußen. Im Schatten der Röhre kauerte sie am Boden und sah sich um. Auf der anderen Seite des riesigen Raumes und mindestens dreißig Schritt entfernt, sah sie einen offenen Durchgang, der in eine ähnlich dunkle Halle führte.
Sie huschte an der Wand entlang darauf zu.
Immer wieder blieb sie stehen und lauschte mit klopfendem Herzen. Sie hörte unbestimmte Geräusche aus der Richtung, in die sie sich bewegte, ein Klirren, eine Art Brummen. Sie war nicht allein in diesen Räumen. Oder war es nur ein Teil der Maschine, die hier in diesen Hallen arbeitete?
Swetja dachte an die Fledermausmänner. Sie wischte sich die schweißfeuchten Handflächen am Kleid ab und schlich weiter.
Die nächste Halle war ebenso groß wie die, aus der sie kam, aber voll von kleinen und großen Abmauerungen. Es sah so aus, als hätte jemand kleinere Häuser in den großen Saal gebaut, würfelförmige Gebäude ohne Fenster und Türen. Kolben und Rohre und Ketten und eiserne Trossen führten aus diesen Gebilden heraus und verschwanden in anderen, große Zahnräder ragten aus der Decke und aus den Wänden und griffen in andere, die hinter weiteren Abmauerungen verborgen waren. Dazwischen gab es einen Irrgarten aus schmalen Wegen. Swetja schlich sich vorsichtig hindurch und suchte einen weiteren Ausgang.
Die Hallen enthielten zwar Teile der Maschine, doch das war nicht die Quelle der Geräusche. Je weiter Swetja kam, umso deutlich schälten sich einzelne Laute heraus, die auf eigentümliche Weise vertraut wirkten. Knarzendes Leder. Schnaufen. Leise Stimmen.
Sie huschte von Deckung zu Deckung.
Dann sah sie durch einen freien Gang zwischen zwei Anlagen in den nächsten Anbau hinein. Dort lagen die Elemente der Maschine bloß, und überall funkelte blankes Metall im einfallenden Sonnenlicht. Zahnräder verbanden sich zu einem Uhrwerkmechanismus, mit Ketten und Gewichten daran und eingefasst in kunstvolle Gestelle. Die Konstruktion führte in Bögen bis zur Decke hinauf, breite Streifen auf dem Boden blieben frei, und dieser Raum war voll mit Pferden. Dragoner bewegten sich dazwischen, sprachen miteinander oder richteten ihre Ausrüstung. Der Anblick der bekannten Uniformen, die im Licht mitunter bunt aufblitzten, versetzte Swetja einen Stich. Genau wie die fremden Schemen, die sie rings um die Soldaten wahrnehmen konnte, wenn sie den Kopf ein wenig schräg legte.
Die Armee, die Borija mitgebracht hatte, war mitsamt ihren Rössern in den unteren Teil der Zitadelle eingezogen. Und alle Männer waren von den alten Göttern besessen.
Swetja wich rasch hinter die nächste Biegung zurück. Ihre zerschundenen Knie
Weitere Kostenlose Bücher