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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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doch kommen, wenn es jemand bemerkt – wenn ich sie sehe, kann ich sie erschlagen.«
    Mart zuckte die Schultern. Gontas hob die behelfsmäßige Fackel, und sie untersuchten die Steinfigur genauer. In dem Hinterteil war ein Loch, so breit wie ein Oberschenkel.
    »Hm, üppig«, sagte Tori. »Hat vielleicht doch ’n andern Zweck, der Protz da. Wie die Figuren von nackten Schneppen, die sich der Patri von Sârkhez vor seine Hütte gestellt hat. Nur dass hier ’n Stamm von Arschfickern gelebt hat, die so was anmacht!« Sie lachte kurz auf.
    Mart und Gontas gingen nicht darauf ein. Das Loch in der Statue war dunkel.
    »Wenn du da ein Licht gesehen hast«, sagte Mart, »dann geht die Öffnung bis oben durch. War vielleicht ’n Stern auf der anderen Seite, oder ’n Mond.«
    Gontas erinnerte sich, wo er zuletzt einen durchgehenden Schacht bis zum Sternenhimmel erblickt hatte: im Hort des Wurms im weißen Turm. Er war froh, dass der Styx noch nicht am Nachthimmel stand. Als er den Blick senkte, sah er etwas Weißes und Schrumpeliges am Rand der Schlucht liegen.
    »Was ist das?« Mart stocherte mit der Schwertspitze darin herum.
    Es sah aus wie die abgestreifte Haut einer Schlange, weiß und dünn. Das Geschöpf konnte nicht länger gewesen sein als ein Unterarm, und Gontas sah an einem Ende einen Kranz dünner Gliedmaßen ähnlich wie Spinnenbeine. Er löschte die Fackel.
    »Gehen wir weiter«, sagte er. »Aber vorsichtig. Hier sind Hexenmeister am Werk, genau wie in Tarukans Turm.«
    »Ach was, kein Spaß?«, erwiderte Mart. »Hätt ich nicht erwartet an dem Ort, wo Tarukan seine Finckels ausbrütet.«
    Hastig gingen sie unter der hockenden Statue hindurch. Auf der anderen Seite sahen sie die Beine, mit den Händen auf den Oberschenkeln. Die titanenhafte Figur saß in der Schlucht, den Kopf in den Nacken gelegt und das Gesicht dem Himmel zugewandt. Im Licht des grauen Sin sah Gontas, dass die Zehen und die Finger geformt waren wie Klauen. Das nach oben gewandte Gesicht konnte er nicht erkennen, doch ihm drängte sich der Gedanke auf, dass die Gestalt den Mond anheulte und gerade dabei war, sich in etwas Unaussprechliches zu verwandeln, versteinert im Moment der Veränderung.
    Tori berührte flüchtig die steinernen Füße, als sie daran vorbeikamen. »Hab hier in den ganzen Bergen noch keinen schwarzen Stein gesehen«, sagte sie. »Aus Sandstein ist das Ding jedenfalls nicht gehauen, du. Da frag ich mich schon, wie sie den Block hergekriegt haben.«
    »Laufen lassen, vielleicht«, sagte Mart. »Wie diese Steinhaufen im großen Tal.«
    Sie gingen schnell weiter.
    Die Schlucht verlief leicht abschüssig nach Osten. Schweigend tasteten die drei sich voran. Obwohl ein Mond nach dem anderen am Himmel aufzog, blieb es finster in der engen Klamm. Dann mündete der Weg in einen weiten Hang, und die geduckten Silhouetten von Häusern lagen vor ihnen. In der Ferne glitzerte Wasser, eine endlose Fläche, so groß wie das Meer.
    »Kar Ombos«, sagte Gontas zu seinen Begleitern. »Wie es die Hexe gesagt hat.«
    Sie blieben im Schatten der Einmündung stehen. Die Stadt war dunkel. Es mochten an die hundert Häuser sein, die sich hier an den Berghang klammerten. Im Licht der sechs Monde sahen sie so schwarz aus wie die Riesenstatue in der Schlucht. Die Gebäude waren niedrig, so gedrungen, als wären sie halb im Boden versunken, und so verschachtelt gebaut, dass man kaum erkennen konnte, wo das eine Bauwerk aufhörte und das nächste anfing. Bauchige Säulen zierten viele der Fassaden, und an den Häusern, die ihnen am nächsten lagen, konnte Gontas im Mondlicht eckige Fresken erkennen, wie Ranken, die in einer fremdartigen Geometrie ein lebendiges Muster bildeten.
    Sie lauschten, doch alles blieb still.
    »Keine Wachen«, flüsterte Mart. »Wie war das – hat dein Finckelweib nicht behauptet, Tarukan wär mit seiner Truppe schon abgerückt?«
    »Sie meinte, er hätte ein Lager hier«, sagte Gontas. »Selbst wenn Tarukan fort ist, wird er ein paar Krieger dagelassen haben, um das Lager zu sichern. Die müssen wir uns schnappen und zum Reden bringen.«
    »Is ’ne ganze Stadt hier«, sagte Tori. »Können wir tagelang drin rumsuchen. Da hätten wir gleich die Dromedare mitnehmen sollen, wenn wir eh hier kampieren.«
    »Wir kampieren nicht, Frau«, sagte Mart. »Sei still und lerne.«
    »Wir beobachten von hier aus die Stadt«, fügte Gontas hinzu. »Tarukans Männer werden die Gebäude bewachen, die sie nutzen. Irgendwann werden wir

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