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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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ihrem Hals, und ihre hellbraune Haut war von Aknenarben gezeichnet.
    «Dottore, darf ich Ihnen Yasmina vorstellen. Yasmina, das ist Dottor Doni.»
    Er gab ihr die Hand und unterdrückte einen Anflug von Ekel. Sie nickte nur und deutete ein Lächeln an.
    «Wollen wir uns setzen?», fragte sie.
    «Ja, setzen wir uns», sagte Doni.
    Yasmina nahm zwischen ihnen Platz. Elena legte ihre Hand behutsam auf die Yasminas und bat sie zu reden.
    «Mein Bruder hat nichts getan.» Ihr Italienisch war klar und nahezu akzentfrei. Sie schaute Doni an, der wortlos nickte. «Khaled und ich sind vor vier Jahren hergekommen. Unsere Mutter ist gestorben, Papa war arbeitslos, und unser großer Bruder war im Gefängnis, weil er mit der Polizei aneinandergeraten war. In Tunesien machen die Polizisten mit dir, was sie wollen. Eines Tages wurde er verhaftet, warum, weiß ich nicht, er hat falsch reagiert, und sie haben ihn verprügelt, angeklagt und ins Gefängnis geworfen. Da sagte Khaled zu mir, ‹wir müssen weg›. ‹Und Papa?›, fragte ich. ‹Er bleibt bei unserem Onkel›, sagte Khaled. ‹Aber wir müssen weg.› Ich wusste, dass das nicht stimmte, dass unser Onkel ihn nur für ein paar Tage aufnehmen und dann wegschicken würde, dass wir unser Haus für immer verlieren würden und dass mein großer Bruder nach dem Gefängnis niemanden mehr hätte, falls er überhaupt je wieder herauskommen sollte. Aber was sollte ich sagen? Ich war achtzehn Jahre alt.
    Khaled hatte Geld gespart und einen Monat lang Tag und Nacht gearbeitet, um noch mehr zu verdienen. Er hat mit den Leuten am Hafen gesprochen, einer von ihnen war ein Freund unseres Onkels, und so mussten wir nur die Hälfte des üblichen Preises bezahlen, ich konnte sozusagen umsonst mitfahren. Eines Nachts packten wir unsere Sachen, Papa war schon bei unserem Onkel und unser Bruder noch im Gefängnis, wir gingen zum Hafen und noch weiter, bis zum Strand. Dort lag ein Boot, wir waren etwa hundert Leute oder mehr, so genau weiß ich das nicht. Wir gingen alle an Bord, Khaled und ich zum Schluss, weil sein Freund uns zum halben Preis mitfahren ließ und wir deshalb als Letzte einsteigen mussten, wir hatten kaum Platz, und so zwängten wir uns in den hintersten Winkel. Dann fuhr das Boot ab, und wir mussten sehen, wie wir zurechtkamen. Das Meer war ruhig, sie sagten, wir sollten keine Angst haben, aber ich hatte trotzdem Angst. Jedenfalls kamen wir ohne größere Zwischenfälle nach Sizilien, nur einmal gab es eine schlimme Welle, und vielleicht ist jemand ins Wasser gefallen, alle haben geschrien, ich wusste nicht, warum, ich klammerte mich an Khaled, weiter nichts.
    Als wir, ich weiß nicht, vielleicht einhundert Meter vor der Küste waren, schrien sie, wir sollten alle von Bord springen, ins Wasser. Wir riefen, ‹nein, nein, ihr seid wahnsinnig!›, meine Arme waren müde, doch sie – nichts zu machen: ‹Los, los, von Bord, das Wasser ist flach!› Also sind wir von Bord gesprungen, doch das Wasser war nicht flach, wir mussten eine Weile schwimmen, mit den Taschen und den Koffern, viele Leute schrien, es war dunkel, und wir konnten uns gegenseitig nicht helfen. Zum Glück hatte ich Khaled, der mich hielt, und so kamen wir ans Ufer, pitschnass, alle unsere Sachen waren auch nass, ich hatte eine Tüte mit Brot dabei, die ich nicht angerührt hatte. Als ich sie öffnete, war alles durchgeweicht und zerfiel mir in der Hand, es war ekelhaft. Ich habe sehr geweint, weil wir nun überhaupt nichts mehr hatten, nicht mal ein Stück Brot, und weil wir unsere Familie im Stich gelassen hatten.
    Dann kamen wir nach Mailand. Anfangs wussten wir nicht, was wir tun sollten, wohin wir gehen sollten, es war schrecklich. Wir schliefen mit anderen zusammen in einer leerstehenden Fabrik in Bovisa. Kein Geld, wenig Essen. Dann fand Khaled einen wahren Freund, einen Ägypter, der hat uns eine Wohnung besorgt und für Khaled eine Arbeit auf der Baustelle. Also hat er gearbeitet, immer und immer. Dann bekam er eine Aufenthaltserlaubnis. Ich nicht, ich musste nach Frankreich zu einem Freund dieses Freundes flüchten, er hat mich nach Nizza gebracht und auch mich gerettet, dann bin ich nach Italien zurückgekommen, und jetzt bin ich hier. Jedenfalls hat Khaled nichts getan.»
    Das Mädchen verstummte. Doni schwieg. Eine graue Katze lief über die Straße und spähte einen Augenblick zu ihnen herüber.
    Elena sagte: «Yasmina, vielleicht solltest du uns etwas darüber sagen, was dein Bruder an jenem Abend

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