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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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das ein Priester?»
    «Kann sein.»
    «Bestimmt bringt er Jesus zur Reparatur», feixte Matteo. Doni sagte nichts. Die Ampel sprang auf Grün, das Auto fuhr an ihnen vorbei, wurde im Rückspiegel immer kleiner und verschwand samt Kreuz hinter einer Kurve.
    Das Thermalbad lag, wie Matteo gesagt hatte, in einer ziemlich unwirtlichen Gegend. Der Komplex bestand aus einem großen grauweißen Gebäude unweit der Schnellstraße mit einem direkten Blick auf die Chemieanlagen des Ortes. Doch als sie den Audi abgestellt hatten, entdeckten sie eine kleine Makadamallee, die zum Eingang führte – wohlweislich lag er auf der rechten Seite und damit von den Fabriken abgewandt – und einen englischen Rasen, der das Ganze rahmte.
    Donis Laune hellte sich auf, als sie das Gebäude betraten. Innen war es elegant und modern, in Hellblau gehalten und von einem leichten Chlorgeruch durchzogen, der sich auch im Foyer ausbreitete. Doni war seit zwei Jahren in keinem Wellnessbad mehr gewesen, seit Budapest nicht, wo die Atmosphäre eine ganz andere gewesen war, nicht ohne eine gewisse Romantik. Doch dieses Bad hier, im industriellen Hinterland der Lombardei, war ausschließlich funktional. Das gefiel Doni.
    An der Rezeption erläuterte ihnen eine blonde Frau um die vierzig die verschiedenen Angebote des Bades. Matteo nahm sich eine Broschüre und stellte ein paar Fragen. Die Frau empfahl ihnen ein Standardprogramm und zeigte ihnen, wo sich die Umkleidekabinen befanden.
    Die beiden Brüder zogen sich um und begannen mit einem Moorbad. Doni fühlte sich unbehaglich, der Gestank verursachte ihm Kopfschmerzen, doch nach wenigen Minuten wurde es angenehm. Danach ging es in die Sauna und am Ende ins Warmwasserbad.
    Doni spürte, wie sich alles, was sich in den letzten Tagen in ihm angestaut hatte, jede Unruhe und jeder Zweifel, nun löste. Die Hitze war anstrengend, und die Sauna eine Tortur, doch jedes Mal, wenn er herauskam und sich unter die kalte Dusche stellte, war ihm, als tauchte er in einen wilden Gebirgsbach, und er spürte ein Reißen auf seiner Haut, als wäre sie aus feinem Stein und gäbe nun einen reineren, helleren Kern frei.
    Als sie im Warmwasserbecken weichten, die Ellbogen aufgestützt und das Gesicht von der Hitze gerötet, fragte Matteo: «Fühlst du dich alt?»
    Doni lächelte.
    «Sagen wir ruhig, ich bin alt.»
    Sein Bruder fuhr sich mit der Hand über die noch straffen, muskulösen Arme.
    «Ich fühle mich nicht alt», sagte er.
    «Aber du bist es.»
    «Ich versuche, in Form zu bleiben.» Er schaute Doni an. «Du bist aber auch noch ganz ordentlich in Schuss.»
    «Wir haben Papas Konstitution geerbt.»
    «Hager und unverwüstlich.»
    «Mag sein», sagte Doni.
    «Findest du den Gedanken, alt zu werden, nicht furchtbar? Sich vorzustellen, dass der Körper verwelkt. Dass wir immer schwächer und schlaffer werden, dass wir unseren Körper immer weniger in der Gewalt haben werden.»
    «Man muss es einfach akzeptieren.»
    «Ja, aber es ist schrecklich. Mir macht das Angst.»
    «Erinnerst du dich an meinen Schwiegervater?»
    «Ich glaube, den habe ich nie kennengelernt.»
    «Wirklich nicht? Du Glücklicher. Jedenfalls ist er über neunzig und sieht aus wie eine erbärmliche Witzfigur. Trotzdem ist er noch da. Zäh. Wie ein Blutegel hängt er festgesaugt am Leben, er lässt nicht los. Und weißt du, was er zum Zeitvertreib macht? Er sammelt Etymologien.»
    Matteo verdrehte die Augen.
    «Ich bin schon zufrieden, wenn ich nicht so ende», sagte Doni.
    «Tja, das ist ja das Problem. Was, wenn du doch so endest?»
    «Dann bitte ich meinen Bruder, mir Rattengift in die Suppe zu mischen.»
    «Das gilt auch für mich.»
    Doni fixierte einen fernen Punkt im Becken, wo das Wasser seine Farbe zu ändern schien.
    «Und wie läuft es mit den Kindern?»
    «Das habe ich doch schon erzählt. Giulio will seinen Doktor machen und Michela hat Fieber.»
    «Ja, doch abgesehen davon. Ganz allgemein.»
    «Allgemein.»
    «Ja.»
    «Was weiß denn ich. Gut, nehme ich an. Da musst du Lalla fragen, nicht mich.»
    «Aber mit Giulio verstehst du dich gut, abgesehen von seinen Zukunftsplänen.»
    «Ach, eigentlich ja.»
    «Ihr geht zusammen joggen, nicht?»
    «Jeden Sonntag. Und ich kann noch mit ihm mithalten.»
    Doni nickte.
    «Wieso fragst du das alles?»
    «Nur so. Manchmal denke ich an Elisa und mache mir Sorgen. Ich meine, sieh uns an. Wir haben mit nichts angefangen, und jetzt sitzen wir hier in unserer warmen Badewanne und genießen das Leben. Und

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