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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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sie zu sein, jedenfalls im Rahmen meiner Möglichkeiten. Das hat mir immer gefehlt.»
    «Ich weiß.»
    «Ich frage mich nur: Und Elisa?»
    «Elisa, wieso?»
    «Na, wird ihr das gefallen? Ich meine, die Vorstellung, nach Italien zurückzukommen und nicht mehr in der Stadt zu wohnen.»
    Seine Frau seufzte.
    «Roberto, Elisa kommt nicht mehr nach Italien zurück.»
    «Ach.»
    «Versetz dich doch mal in ihre Lage. Warum sollte sie denn zurückkommen?»
    «Nicht dass ich ihr das wünsche, vor allem nicht in ihrem Beruf. Ich meinte nur so. Es wäre doch möglich, oder?»
    «Also, selbst wenn sie zurückkäme, würde sie ja wohl allein wohnen. Ich verstehe deinen Einwand nicht.»
    «Das war kein Einwand. Sei unbesorgt.»
    Sie lächelte sanft.
    «Sie fehlt dir sehr, was?»
    Doni zuckte mit den Schultern und trank noch einen Schluck.
    «Komm, noch ein kurzes Schwätzchen mit den Schlampen, und dann lass uns verschwinden.»
    «Keine Sorge. Der Spumante ist mäßig wie immer, doch mein Geschmack hat sich inzwischen verändert.»
    Sie lachten und gingen zurück ins Wohnzimmer.
    «Roberto», sagte sie noch.
    «Ja?»
    «Ist alles in Ordnung?»
    «Wie meinst du das?»
    «Ich weiß nicht. Du bist in letzter Zeit ein bisschen merkwürdig.»
    «Aber nein. Findest du mich wirklich merkwürdig?»
    «Vielleicht irre ich mich ja auch», fügte sie vorsichtig hinzu.
    «Das wird der Frühling sein», sagte Doni.
    «Das wird die Luft sein.»
    «Irgendwas wird es schon sein.»
    Wieder lachten sie.
    Eine Stunde später, gegen Mitternacht, kamen sie nach Hause. Die Stille von Porta Romana war eine ins Dunkel gegrabene Mulde. Claudia nahm vor dem Spiegel im Wohnzimmer mit gesenktem Kopf ihre Ohrringe ab. Doni war beschwingt und küsste sie auf den Nacken.
    Dann schliefen sie miteinander, schlecht und recht wie seit Jahren, doch sie hielten sich fest umschlungen: eingeschlossen in dem verletzbaren, zarten Kern ihrer Umarmung, dem einzigen, was ihnen beiden wirklich blieb.

23
    AM TAG NACH der Party, es war ein Sonntag, erhielt Doni einen Anruf von seinem Bruder, den er seit Monaten nicht gesehen hatte. Er erkundigte sich nach Donis Plänen – der hatte keine – und ob er Lust auf einen Saunagang außerhalb der Stadt habe. Es gebe da eine neue Therme in der Nähe von Gorgonzola, die er ausprobieren wolle. Die Gegend sei schrecklich, räumte er ein, doch die Anlage mache einen sehr guten Eindruck. Doni war überrascht über diesen Vorschlag, willigte aber ein.
    Sein Verhältnis zu Matteo war unausgeglichen. Sie waren sehr verschieden. Matteo war fünf Jahre jünger, doch in diesem Bruderpaar machte er die bessere Figur. Er war es, der sämtliche Hefte von Marvel und DC -Comics gekauft und sie dann Doni überlassen hatte, bevor er nach Kanada gereist war – und nicht umgekehrt. Er war es, der als Erster Sex mit einem Mädchen gehabt hatte – und nicht umgekehrt.
    Und vor allem war er es, der als Erster einen Gelegenheitsjob gefunden hatte, um unabhängig zu sein und an den Wochenenden heimlich zu Konzerten zu gehen, während er seinem Vater erzählte, er sei bei einem Freund, um zu lernen; dabei nahm er den Zug und fuhr nach Bologna oder Rom oder Paris und kampierte dort zusammen mit Freunden, die Doni nicht ausstehen konnte, sie füllten ihr Zimmer mit Zigarettengestank und preiswert erstandenen Romanen, die vergilbt und voller Gebrauchsspuren waren, vornehmlich alternative amerikanische Literatur oder Gedichtbände aus Osteuropa.
    Wenn Matteo dann nach Hause kam, erzählte er Doni alles, darauf hoffend, innerhalb der Familie eine Stütze in ihm zu finden, und mit dem Eifer des Bekehrers. Doch beim Blick in die Augen seines Bruders lernte Doni, sich vor Enthusiasten in Acht zu nehmen.
    1968 kam es zum Streit. Matteo ließ sich kaum noch zu Hause blicken, schwänzte die Schule und drohte damit, das Abitur hinzuschmeißen, weil das alles spießiger Quatsch sei. Eines Abends schmetterte er stinkwütend ein Glas an die Wand. Er war immer stinkwütend. Die Eltern wussten nicht mehr ein noch aus – Der is’ ja komplett übergeschnappt. Und das nach allem, was wir getan haben, damit ihr studieren könnt! – und Doni hätte ihn am liebsten erwürgt.
    Einige Tage später, als Matteo von einem Treffen mit seinen Freunden nach Hause kam (es war nie ganz klar, wie viel Politik oder ganz einfach Poesie dabei war, er schien auf den ersten Blick nur für die Literatur zu brennen), nahm Doni ihn beiseite und sagte, wenn er weiter den Mistkerl spielen wolle,

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