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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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gekünstelte Geste, die Doni ärgerte. «Es scheint kein Verbrechen aus Leidenschaft zu sein – Untreue, Ehebruch und so weiter. Obwohl wir natürlich noch nichts ausschließen können. Alles in allem haben wir nichts in der Hand.»
    Doni nickte.
    «Du weißt besser als ich, dass so was am Ende immer ins Leere läuft.»
    «Allerdings.»
    «Die Ausländerkriminalität ist schwer greifbar. Auch wenn das hier natürlich keine Chinesen sind. Mit denen ist es immer ein Albtraum.»
    «Ja.»
    Sie nahm die Hände vom Gesicht und sah Doni an.
    «Darf ich dich fragen, woher dein Interesse kommt?»
    «Der Fall hat meine Neugier geweckt. Weiter nichts.»
    «Tja, es ist wirklich eine schlimme Geschichte.»
    «Ja, ziemlich schlimm.»
    «Aber so schrecklich ja nun auch wieder nicht», fügte sie mit einem Lächeln hinzu.
    «Nein», sagte Doni. «So schrecklich ja nun auch wieder nicht.»

29
    ER ERWACHTE KURZ nach Tagesanbruch. Claudia schlief abgewandt auf der Seite. Er betrachtete sie im Dunkeln und versuchte, ihre Gesichtszüge zu erkennen. Das Zimmer war überheizt, der Atem seiner Frau ging ruhig und gleichmäßig. Er strich ihr übers Haar.
    Doni verließ das Haus und nahm die U-Bahn, ohne ein konkretes Ziel. Er fuhr mit der roten Linie in Richtung Bisceglie. Nach drei Stationen stieg er aus und änderte seinen Kurs. Er wartete auf den Gegenzug und fuhr wieder nach Norden. Er hatte nichts zu lesen dabei und hielt seine Aktentasche auf den Knien.
    An der Station Porta Venezia begann das junge Mädchen ihm gegenüber – große Brüste, die Augen einer Balkanbewohnerin – ihr Kind zu stillen, das sie auf dem Arm hielt. Sie verschob Bluse und Unterhemd ein wenig, und das Kind klammerte sich an ihre rechte Brust. Doni war perplex, es war Jahrzehnte her, seit er eine Frau in der Öffentlichkeit hatte stillen sehen. Als er ein kleiner Junge war, hatte es das häufiger gegeben.
    In Sesto Marelli, außerhalb der Stadtgrenze, stieg er aus. Er sog den frischen Morgenwind ein und trank einen Kaffee in einer Bar an der Hauptstraße. Drinnen stritt sich ein junges Paar, die beiden waren noch keine dreißig. Er war groß und hatte kurzes Haar. Sie war blond und sehr elegant. Die zwei schrien sich hemmungslos an und bezichtigten sich gegenseitig der Untreue.
    Doni fiel die Frage, die Renato ihm im Bagatella gestellt hatte, wieder ein: ob seit ihrer Jugend alles schlechter geworden sei. O ja, befand er.
    Er ging in südlicher Richtung weiter und nahm an der nächsten Station wieder die U-Bahn. Er suchte sich einen Platz neben der Tür. Mit ihm stiegen eine Menge Immigranten und einige Studenten ein. Alle Sitzplätze waren besetzt. Doni roch den Gestank nach Achselschweiß und Leben.
    Ein Junge mit Kopfhörern und verträumter Miene. Eine Südamerikanerin mit drei Kindern. Plastiktüten voller Fleisch. Zwei junge Chinesen mit verschränkten Armen. Ein Mann mit Krawatte, der seinen iPod befragte.
    Ja, das kannte er. Das war Mailand. Die Stadt, in der sich jeder fremd fühlen konnte, selbst wenn er in ihr aufgewachsen war. Die Stadt, in der die Liebe mühsam abgerungen werden musste und nichts auf Anhieb gewährt wurde. Eine grausame Stadt, die jedoch niemals log.
    Und wonach strebten all diese Leute? Nach Glück, wonach sonst. Auf und ab im Gewirr der Straßen, zu spät oder zu früh unterwegs, sich ständig mit irgendetwas herumschlagend, ständig auf der Suche nach einem winzigen Stück Boden unter den Füßen, nach Stabilität, nach etwas, das nicht unter ihnen wegbrach. Und wie viele von ihnen – die Lautsprecherstimme sagte die Station Pasteur an, niemand stieg aus, niemand stieg ein –, wie viele von ihnen suchten jetzt und hier nach Gerechtigkeit?
    Doch Gerechtigkeit war wie eine Egge, die die Erde umbrach und dabei hier und dort unweigerlich Stellen ausließ: Flecken von Vogelmiere, Steine, die zu klein waren, um entfernt zu werden, Stellen, an denen der Zweifel weiterkeimte.
    Doni fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Als die Lautsprecherstimme die Station Loreto ansagte, stieg er aus.
    Er bog in die Via Padova ein.
    Zur Sache. Alle dreißig Sekunden schloss er die Augen für eine Weile, um nur die Geräusche wahrzunehmen. Fahrradklingeln, Fetzen auf Spanisch, Arabisch, Filipino. Eine Straße, die viele Namen hatte, die auf die unterschiedlichsten Arten benannt wurde. Räderquietschen. Metall, das auf Metall traf – Doni schlug die Augen auf: Er stand vor einem Supermarkt, zwei Angestellte luden Paletten ab.
    An der

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