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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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recht«, fügte sie mit einem warnenden Unterton hinzu. »Das gefällt uns nicht. Warum wollt ihr uns die heilige Winifred wegnehmen! Wo sie doch schon so lange hier ist - und wo sich bis jetzt niemand für sie interessiert hat? Ich finde das nicht richtig, und es zeugt nicht von christlicher Nächstenliebe.«
    Sie weiß sich hervorragend auszudrücken, dachte Cadfael und überlegte, warum diese junge Waliserin so gut Englisch sprechen konnte, fast so, als wäre dies ihre Muttersprache - oder eine Sprache, die ihr die Liebe beigebracht hatte...
    »Um ehrlich zu sein, ich bin ganz deiner Meinung. Und als Vater Huw für seine Gemeinde eintrat, stand ich ganz auf seiner Seite.«
    Ihre Augen verengten sich, und mißtrauisch runzelte sie die Stirn. Wer immer sie informiert hatte, mußte alles genau geschildert haben, was sich im Obstgarten abgespielt hatte, denn nun sagte sie nach kurzem Zögern auf walisisch: »Du mußt der Mönch sein, der unsere Sprache beherrscht und alles übersetzt hat, was Vater Huw sagte.« Das schien sie seltsamerweise zu beunruhigen. »Du verstehst doch, was ich sage?«
    »Nun, ich bin ebenso in Wales geboren wie du, mein Kind, und erst vor wenigen Jahren Benediktinermönch geworden. Natürlich habe ich meine Muttersprache nicht vergessen. Aber es erscheint mir viel verwunderlicher, daß du so gut Englisch kannst - ein Mädchen, das im Herzen von Rhos lebt... «
    »Ich spreche diese Sprache nur unvollkommen«, entgegnete sie hastig, »und weil ich dachte, du seist Engländer, habe ich versucht, mich verständlich zu machen... Ich konnte ja nicht wissen, daß du der Dolmetscher bist.«
    Warum bereitet es ihr Unbehagen, daß ich zwei Sprachen beherrsche, fragte er sich. Und warum schaute sie immer wieder verstohlen zum Fluß hinunter, der silbern zwischen den Bäumen glitzerte? Rasch warf er einen Blick in dieselbe Richtung und entdeckte den großen blonden jungen Mann, der gewiß kein Waliser und sicher der beste Ochsenführer von Gwynedd war. Er hatte die Tiere verlassen, die friedlich am anderen Ufer standen und ihren Durst stillten, watete durch das knietiefe Wasser und kam auf die Eiche zu, von funkelnder Gischt umgeben. Und das Mädchen hatte auf einem Ast des hohen Baumes gesessen, um zu dem Acker hinüberzuschauen, und war herabgeklettert, sobald der junge Mann seine Arbeit beendet hatte...
    »Ich schäme mich für mein schlechtes Englisch«, sagte sie und sah flehend zu Cadfael auf. »Bitte, erzähl es niemandem!«
    Dann sah sie wieder zum Fluß hinab, und er spürte, daß ihr seine Anwesenheit sehr unangenehm war.
    »Mir ist es auch so ergangen, als ich Englisch gelernt habe« entgegnete er. »Und ich verspreche dir, daß ich nichts verraten werde. Jetzt muß ich aber zurückreiten, sonst komme ich zu spät zur Vesper.«
    Sie lächelte erleichtert. »Gott sei mit dir, Vater.«
    »Und mit dir, mein Kind.«
    Er stieg in den Sattel und ritt davon, auf einer sorgfältig gewählten Route, die den Weg des jungen Mannes nicht kreuzte. Sie sah ihm noch eine Weile nach, bevor sie dem Ochsenführer entgegenrannte, der gerade die Uferböschung heraufstieg. Cadfael sagte sich, daß sie wissen mußte, was er beobachtet und sich zusammengereimt hatte, und daß sie sicher sehr froh über seine Diskretion war. Eine junge Waliserin von Stand, die ein besticktes Kleid trug, hatte allen Grund zur Vorsicht, wenn sie sich mit einem Ausländer traf, der kein eigenes Land besaß und wurzellos in einer Clan-Gesellschaft lebte, wo eine möglichst vielköpfige Verwandtschaft geradezu lebenswichtig war. Und doch - er war ein netter, tüchtiger junger Mann, der ein Herz für Tiere hatte. Cadfael drehte sich um, als er sicher sein konnte, daß die Büsche ihn verbargen. Und da sah er die beiden aufeinander zugehen. Sie berührten sich nicht, blieben fast scheu voreinander stehen. Danach wandte er sich nicht mehr um.
    Was ich hier brauche, dachte er, während er zur Kirche ritt, ist die Bekanntschaft eines Gleichgesinnten, der alle Männer, Frauen und Kinder in dieser Gemeinde kennt, ohne die Bürde ihrer Seelengeheimnisse ertragen zu müssen, wie Vater Huw. Einen netten Saufkumpan mit Verstand...
    Nach der abendlichen Komplet in der kleinen Kirche fand Cadfael nicht nur einen Gleichgesinnten, sondern gleich drei, als er mit Bruder John zur Schmiede am Rand der Felder ging. Prior Robert und Bruder Richard hatten sich bereits in Huws Haus zur Ruhe begeben, Jerome und Columbanus wanderten durch den Wald zu Cadwallons

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