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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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noch in einem Traum zu befinden.
    Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt, die Leute drängten sich in den Ecken, im Mittelgang und vor der Tür. Es hatte sich herumgesprochen, daß in Winifreds Kapelle wieder etwas Seltsames und Wundervolles geschehen war, und man hoffte, nach der Messe mehr darüber zu erfahren.
    Bis zum Ende der Zeremonie trat keine Änderung in Columbanus' Zustand ein. Doch als der Prior langsam und erwartungsvoll den ersten Schritt zum Ausgang machte - wie ein Mann, der einen Schlüssel herumdreht und sicher ist, daß sich die Tür öffnen wird -, zuckte Bruder Columbanus plötzlich zusammen, stieß einen leisen Schrei aus und blickte verwundert um sich, auf die vertrauten Gesichter. Seine eigenen Züge erwachten zum Leben, er lächelte, hob die Hand, als wollte er den Prior zurückhalten, und sagte mit hoher, klarer Stimme: »O Vater, wie bin ich gesegnet worden! Wie kam ich hierher - wo ich doch woanders war und aus dem Dunkel der Nacht in ein so strahlendes Licht entführt wurde? Sicher ist dies die Welt, die ich verlassen habe. Eine schöne Welt - doch ich weilte in einer schöneren, jenseits der Wüsten meiner Seele. Oh, wenn ich es euch doch schildern könnte!«
    Alle Blicke richteten sich auf ihn, alle Ohren waren gespitzt, um nur ja kein Wort zu versäumen. Niemand verließ die Kirche, und die Leute, die vor der Tür standen, drängten herein.
    »Mein Sohn«, sagte der Prior mit ungewollt freundlichem Respekt, »du bist hier bei deinen Brüdern und hast mit ihnen gebetet. Du brauchst nichts zu befürchten und nichts zu bereuen, denn die himmlische Erscheinung, die du schauen durftest, war sicher dazu bestimmt, dich zu inspirieren und dich zu wappnen, auf daß du furchtlos durch eine unvollkommene Welt schreiten mögest, in der Hoffnung, danach eine vollkommene zu finden. Du hast heute nacht mit Bruder Cadfael die Vigilien in Winifreds Kapelle abgehalten - erinnerst du dich daran? In der Nacht überkam dich irgend etwas, das uns deinen Geist für eine Weile entriß und aus deinem Körper zog - doch dein Körper blieb unversehrt zurück, du schliefst friedlich wie ein Kind. Wir brachten dich hierher, während dein Geist immer noch fern war, doch nun bist du wieder bei uns, und alles ist gut. Du wurdest in hohem Maße bevorzugt.«
    »Oh, in viel höherem Maße, als du ahnen kannst!« sang Bruder Columbanus und schien wie eine Laterne zu erglühen. »Ich bin ein Bote unendlicher Güte, ein Instrument der Versöhnung und des Friedens. O Vater Prior - Vater Huw - meine Brüder - laßt mich hier vor allen sprechen, denn was ich zu sagen habe, betrifft alle!«
    Nichts, dachte Cadfael, könnte ihn aufhalten, denn seine göttliche Sendung würde jeden Einwand beiseite fegen, den der Prior oder der Priester vorzubringen hätten. Und Robert nahm diese Verlagerung der Autorität erstaunlich fügsam zur Kenntnis. Entweder wußte er bereits, daß die himmlische Stimme etwas künden würde, das seine Pläne begünstigte und seinen Ruhm mehrte - oder er war wirklich beeindruckt und bereit, der wundersamen Botschaft ebenso demütig zu lauschen wie die anderen.
    »O Vater, als ich um Mitternacht vor dem Altar kniete, hörte ich eine süße Stimme meinen Namen rufen. Gehorsam erhob ich mich. Was dann mit meinem Körper geschah, weiß ich nicht. Du sagst, ich hätte im tiefen Schlaf gelegen, als du in die Kapelle kamst. Aber als ich vor den Altar trat, schien er in einem sanften goldenen Licht zu erglühen, und mitten darin schwebte eine wunderschöne Jungfrau in einem Regen aus weißen Blütenblättern, ihr Gewand und ihr Haar verströmten einen himmlischen Duft. Und dieses herrliche Wesen sprach zu mir und sagte, daß sein Name Winifred laute und daß es gekommen wäre, um unser Unternehmen gutzuheißen und jenen zu verzeihen, die bis jetzt - aus einer falsch verstandenen Treue und Ehrfurcht heraus - Widerstand geleistet haben. Und dann - o göttliche Gnade - legte die schöne Jungfrau eine Hand auf Rhisiarts Herz, vollführte die gleiche Geste, die Sioned von uns erbeten hatte, als Zeichen unserer Vergebung. Doch ihre Geste kündete von himmlischer Absolution, und diese wurde mit solcher Anmut gewährt, daß ich es nicht beschreiben kann.«
    »O mein Sohn!« rief Prior Robert entzückt und übertönte das Gemurmel der bebenden Stimmen, das die Kirche wie die sanften Wellen eines Teiches erfüllte. »Du berichtest von einem Wunder, das größer ist, als wir es in unseren kühnsten Träumen zu

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