Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
immer an erster Stelle.
»War das jetzt unsere Schuld?«, wiederholte Siobhan mit leicht bebender Stimme.
Der Audifahrer kam vom Meetingpoint zurück, gefolgt von einem Mann im grauen Anzug. Der Mann hatte zwei prall gefüllte Aktentaschen bei sich. Wie der Fahrer blieb auch er einen Moment stehen, um sich das Durcheinander anzuschauen. Der Fahrer hielt ihm die Beifahrertür auf, und der Staatsbeamte stieg ein, ohne auch nur grüßend in Richtung Rücksitz zu nicken. Der Fahrer setzte sich hinters Steuer, wobei seine Mütze die Decke des Audi streifte, und fragte, was da los sei.
»›Rad im Rad‹«, gab Rebus zur Antwort. Am Ende sah der Staatsbeamte – vermutlich zu seinem Leidwesen – ein, dass er nicht der einzige Fahrgast war.
»Ich heiße Dobbs«, stellte er sich vor. »FCO.«
Außen- und Commonwealthministerium. Rebus streckte ihm die Hand hin.
»Nennen Sie mich John«, sagte er. »Ich bin ein Freund von Richard Pennen.«
Siobhan machte den Eindruck, als bekäme sie davon gar nichts mit. Als das Auto losfuhr, war ihre Aufmerksamkeit ganz auf die Szene gerichtet, die sich hinter ihnen abspielte.
Zwei Männer in grüner Sanitäteruniform konnten nicht zum US-Präsidenten vordringen, weil seine Sicherheitsmänner sie daran hinderten. Hotelangestellte hatten sich ebenso wie ein paar Reporter aus dem Pressezentrum als Zuschauer eingefunden.
»Happy Birthday, Mr. President«, sang Siobhan mit heiserer Stimme.
»Freut mich«, sagte Dobbs zu Rebus.
»War Richard schon hier?«, fragte Rebus beiläufig.
Der Staatsbeamte runzelte die Stirn. »Ich weiß gar nicht, ob er auf der Liste steht.« Er schien sich besorgt zu fragen, ob man ihn womöglich nicht auf dem Laufenden gehalten hatte.
»Wie er mir erzählt hat, steht er drauf«, log Rebus ungeniert. »Dachte, der Außenminister hätte eine Aufgabe für ihn …«
»Mag sein«, meinte Dobbs und versuchte, überzeugter zu klingen, als er aussah.
»George Bush ist gerade vom Fahrrad gefallen«, warf Siobhan ein. Es war, als mussten die Worte ausgesprochen werden, bevor sie zu einer Tatsache werden konnten.
»Ach ja?«, bemerkte Dobbs, ohne richtig zuzuhören. Er öffnete eine der Aktentaschen, im Begriff, sich in eine Lektüre zu vertiefen. Rebus schloss daraus, dass der Mann genug Smalltalk ertragen hatte und sein Verstand nun zu Höherem strebte: Statistiken, Budgets und Handelsziffern. Er startete einen letzten Versuch.
»Waren Sie im Castle?«
»Nein«, antwortete Dobbs gedehnt. »Sie?«
»Ja, ich schon. Entsetzlich, das mit Ben Webster, nicht wahr?«
»Schrecklich. Der beste PPS, den wir je hatten.«
Siobhan schien plötzlich klar zu werden, was hier vor sich ging. Rebus zwinkerte ihr zu.
»Richard ist nicht ganz davon überzeugt, dass er gesprungen ist«, bemerkte Rebus.
»Sie meinen, ein Unfall?«, fragte Dobbs nach.
»Geschubst«, meinte Rebus. Der Staatsbeamte ließ seinen Packen Papier sinken und drehte den Kopf nach hinten.
»Geschubst?« Er sah, wie Rebus nickte. »Wer um alles in der Welt würde denn so was tun?«
Rebus zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat er sich Feinde gemacht. Politiker tun das ja manchmal.«
»Fast so viele wie Ihr Busenfreund Pennen«, konterte Dobbs.
»Was wollen Sie damit sagen?« Rebus versuchte, stellvertretend für seinen Freund einen gekränkten Ton anzuschlagen.
»Früher gehörte seine Firma dem Steuerzahler. Jetzt verdient er ein Schweinegeld mit den Ergebnissen der Forschung und Entwicklung, die wir bezahlt haben.«
»Geschieht uns recht, wenn wir sie ihm verkauft haben«, schaltete Siobhan sich ein.
»Vielleicht hatte die Regierung schlechte Berater«, scherzte Rebus.
»Die Regierung wusste genau, was sie tat.«
»Warum hat sie dann an Pennen verkauft?«, fragte Siobhan, jetzt wirklich neugierig geworden. Dobbs blätterte erneut seine Papiere durch. Der Fahrer telefonierte mit irgendjemandem und erkundigte sich, welche Routen ihnen offen stünden.
»Forschung und Entwicklung sind kostspielige Abteilungen«, erklärte Dobbs. »Wenn das Verteidigungsministerium Einsparungen machen muss, hagelt es immer Kritik, wenn die Hauptlast bei den Streitkräften liegt. Sägen sie aber ein paar Forschungsfritzen ab, zuckt die Presse nicht mal mit der Wimper.«
»Ich glaube, ich habe es immer noch nicht ganz verstanden«, gab Siobhan zu.
»Eine private Firma«, führte Dobbs aus, »kann an so ziemlich jeden verkaufen – sie hat weniger Auflagen als das Verteidigungsministerium, das
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