Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
wurden für einen Moment glasig, verloren sich in Erinnerungen, dann blinzelte er und kehrte mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. »Und was mache ich jetzt, wo Sie die rote Karte bekommen haben? Gebe ich Ihnen die Informationen, die ich gesammelt habe, oder stecke ich sie in den Stapel ›Unerledigtes‹?«
Rebus nippte an seinem Glas – frisch gepresster Orangensaft. Hackman hatte sein Lager schon halb leer getrunken. »Wir sind einfach zwei Kumpel, die miteinander plaudern«, antwortete Rebus.
»Das sind wir.« Der Engländer nickte nachdenklich. »Und die vor dem Abschied noch ein letztes Glas zusammen trinken.«
»Machen Sie sich auf den Heimweg?«
»Im Lauf des Tages«, bestätigte er. »Ich würde nicht sagen, dass es mir keinen Spaß gemacht hat.«
»Kommen Sie ein andermal wieder«, bot Rebus an, »dann zeige ich Ihnen die restlichen Sehenswürdigkeiten.«
»Gut, damit ist unser Deal besiegelt.« Hackman rutschte auf seinem Stuhl ein Stück vor. »Erinnern Sie sich, ich habe Ihnen doch gesagt, dass Trevor Guest eine Zeitlang hier oben war? Inzwischen habe ich einen der Jungs zu Hause gebeten, unsere Archive zu entstauben.« Er zog ein Notizbuch aus der Tasche und schlug es auf einer Seite mit Hingekritzeltem auf. »Trevor war eine Weile in den Borders, aber die meiste Zeit hat er hier in Edinburgh verbracht.« Er klopfte mit einer Fingerspitze auf den Tisch. »Er hatte ein Zimmer in Craigmillar und half in einem Tagespflegeheim aus – die können damals unmöglich sein Strafregister geprüft haben.«
»Ein Tagespflegeheim für Erwachsene?«
»Alte Leute. Er fuhr sie vom Scheißhaus an den Abendbrottisch. Jedenfalls hat er uns das erzählt.«
»War er denn damals vorbestraft?«
»Ein paar Einbrüche, Drogenbesitz, hat eine Freundin zusammengeschlagen, die aber keine Anzeige erstattete. Das heißt, zwei Ihrer Opfer haben einen lokalen Bezug.«
»Ja«, stimmte Rebus ihm zu. »Wie weit liegt denn das zurück?«
»Vier, fünf Jahre.«
»Geben Sie mir eine Minute, Stan?« Er stand auf und ging auf den Parkplatz, zog sein Handy heraus und rief Mairie Henderson an.
»John am Apparat«, sagte er.
»Allerhöchste Zeit. Warum ist es um den Clootie-Well-Fall so still geworden? Mein Chefredakteur liegt mir ständig in den Ohren.«
»Ich habe gerade herausgefunden, dass das zweite Opfer einige Zeit in Edinburgh verbracht hat. Arbeitete in einem Tagespflegeheim in Craigmillar. Ich frage mich, ob er während der Zeit hier in irgendwelche Schwierigkeiten geraten ist.«
»Hat die Polizei denn keine Computer, die ihr solche Dinge verraten?«
»Ich benutze lieber altmodische Kontakte.«
»Ich kann eine Durchsuchung der Datenbank starten … und vielleicht unseren Gerichtsreporter fragen, ob er irgendwas weiß. Joe Cowrie hat das jahrzehntelang gemacht – und er erinnert sich an jeden einzelnen Fall.«
»Auch gut – es dürfte fünf Jahre zurückliegen. Melde dich mit allem, was du rauskriegst.«
»Meinst du, der Mörder könnte hier vor unserer Nase leben?«
»Deinem Chefredakteur würde ich das nicht erzählen … vielleicht müsstest du seine Hoffnungen später zunichte machen.«
Rebus beendete das Gespräch und ging wieder hinein. Hackman hatte sich gerade ein frisches Pint geholt. Er deutete mit dem Kopf auf Rebus’ Glas.
»Ich wollte Sie nicht beleidigen und Ihnen noch mal das Gleiche bestellen.«
»Ich möchte auch nichts mehr«, versicherte Rebus ihm. »Danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben.« Er klopfte auf das offene Notizbuch.
»Was tut man nicht alles für einen Kollegen in Not.« Hackman prostete ihm zu.
»Apropos, wie ist denn die Stimmung in Pollock?«
Hackmans Gesicht bekam einen harten Ausdruck. »Letzte Nacht war’s ganz schlimm.Viele der Jungs von der Met hingen pausenlos an ihren Handys. Andere waren schon abgereist. Ich weiß, wir alle hassen den Ort, aber als ich diese Londoner im Fernsehen sah, entschlossen, unter allen Umständen weiterzumachen …«
Rebus nickte zustimmend.
»Ein bisschen wie Sie selbst, John, was?« Hackman lachte. »Ich kann es Ihrem Gesicht ansehen – Sie geben nicht so schnell auf, nur weil man Sie drankriegen will.«
Rebus überlegte einen Moment, was er antworten sollte, bevor er Hackman fragte, ob er zufällig die Adresse des Tagespflegeheims in Craigmillar wüsste …
Vom Crags aus waren es kaum mehr als fünf Minuten zu fahren.
Auf dem Weg dorthin bekam Rebus einen Anruf von Mairie, die mit Trevor Guests Zeit in Edinburgh
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