Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
brauste mit aufheulendem Motor hinaus auf die Straße – den Flughafen zur Linken, die Stadt zur Rechten. Der Weg zurück nach Edinburgh bot mehr Möglichkeiten, sie abzuhängen.
Jacko – an diesen Namen würde sie sich erinnern. »Pritsche« hatte einer der anderen sie genannt. Das war ein Begriff, den sie nur aus dem Mund von Soldaten kannte. Ehemalige Armeeangehörige … mit einer Bräune, die sie sich in heißen Gegenden geholt hatten.
Irak.
Als Streifenpolizisten verkleidete private Sicherheitskräfte.
Sie warf einen Blick in den Rückspiegel: keine Spur von ihnen. Was nicht bedeutete, dass sie nicht da waren. Von der A8 auf die Umgehungsstraße, dauernde Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit, Betätigung der Lichthupe, um die Fahrer vor ihr auf sie aufmerksam zu machen …
Aber wohin als Nächstes? An ihre Adresse zu kommen durfte für sie ein Leichtes sein; für einen Mann wie Richard Pennen erst recht. Allan war beruflich unterwegs und würde erst am Montag wieder zurück sein. Nichts hielt sie davon ab, zum Scotsman zu fahren und an ihrem Artikel zu arbeiten. Ihr Laptop befand sich im Kofferraum, bestückt mit allen Informationen. Mit Aufzeichnungen, Zitaten und ihren Entwürfen. Notfalls konnte sie die ganze Nacht im Büro verbringen – und an der Vernichtung von Richard Pennen schreiben.
Rebus erfuhr es von Ellen Wylie. Er seinerseits informierte Siobhan, die ihn zwanzig Minuten später mit dem Auto abholte. Schweigend fuhren sie durch die Abenddämmerung nach Niddrie. Der provisorische Zeltplatz am Jack Kane Centre war abgebaut worden. Keine Zelte, keine Duschen oder Toiletten mehr. Die Hälfte des Zauns hatte man entfernt. Die Sicherheitskräfte waren fort, ersetzt durch uniformierte Polizisten, Sanitäter und die zwei Männer von der Leichenhalle, die schon Ben Websters zerschmetterten Körper am Fuß des Burgfelsens abgeholt hatten. Siobhan parkte entlang der in einer Reihe stehenden Fahrzeuge. Rebus erkannte einige der Kriminalbeamten – sie waren von St. Leonard’s und Craigmillar und begrüßten die Neuankömmlinge mit einem Nicken.
»Nicht ganz Ihr Revier«, meinte einer von ihnen.
»Sagen wir, wir haben ein Interesse an dem Verstorbenen«, antwortete Rebus. Siobhan, die neben ihm stand, beugte sich so nah zu ihm, dass niemand mithören konnte.
»Die Nachricht von unserer Suspendierung scheint noch nicht durchgesickert zu sein.«
Rebus nickte. Sie näherten sich einem Kreis am Boden kauernder Beamter. Der diensthabende Arzt hatte den Tod festgestellt und setzte gerade seinen Namen unter ein paar Formulare auf einem Klemmbrett. Man machte Blitzlichtfotos und suchte mit starken Taschenlampen das Gras nach Spuren ab. Zuschauer wurden von einem Dutzend Polizisten auf Distanz gehalten, während man den Tatort weiträumig absperrte. Kinder auf Fahrrädern, Mütter mit ihren Kleinkindern in Buggys. Nichts zog eine Menschenmenge so an wie der Tatort eines Verbrechens.
Siobhan schaute sich um. »Das ist ziemlich genau die Stelle, an der das Zelt meiner Eltern stand«, erklärte sie Rebus.
»Ich nehme mal an, sie sind nicht diejenigen, die diese Schweinerei hier hinterlassen haben.« Er kickte mit der Schuhspitze eine leere Plastikflasche in die Luft. Jede Menge anderer Unrat lag im Park herum: weggeworfene Transparente und Flugblätter, Fastfoodbehälter, ein Kopftuch und ein einzelner Handschuh, eine Babyrassel und eine zusammengerollte Windel … Manches davon wurde von der Spurensicherung eingetütet, um es auf Blut oder Fingerabdrücke zu untersuchen.
»Ich würde sie ja gerne die DNA hiervon nehmen sehen«, bemerkte Rebus und deutete mit dem Kopf auf ein gebrauchtes Kondom. »Glauben Sie, dass vielleicht Ihre Mum und Ihr Dad …?«
Siobhan warf ihm einen Blick zu. »Weiter gehe ich nicht.«
Er zuckte die Achseln und ließ sie stehen. Stadtrat Gareth Tench wurde allmählich kalt. Er lag bäuchlings auf dem Boden, die Beine gebeugt, als wäre er an dieser Stelle zusammengebrochen. Sein Kopf war zu einer Seite gedreht, die Augen waren nicht ganz geschlossen. Auf der Rückseite seines Jacketts befand sich ein dunkler Fleck.
»Erstochen, vermute ich«, sagte Rebus zu dem Arzt.
»Mit drei Stichen«, bestätigte der Mann. »In den Rücken. Die Wunden erscheinen mir nicht allzu tief.«
»Viel braucht es nicht«, meinte Rebus. »Was für ein Messer?«
»Kann ich noch nicht genau sagen.« Der Doktor spähte über seine halbmondförmige Brille. »Breite der Klinge ungefähr
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