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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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würde. Wohl aber den blauen Augen, die unter den übertrieben großen Lidern fast ein bisschen versteckt wirken. Er hat ein auffälliges Hemd an, das mit großen roten Rosen bedruckt ist. Aus der Nähe ist sein gutes Parfüm zu riechen. P beginnt mit einem »Guten Abend«, worauf der Franzose antwortet, indem er seine Flasche hebt und lächelt. P macht Madame Bovary ein Zeichen, ihm das Bierglas zu füllen, das er von draußen mit hereingebracht hat.
    »Wie geht’s? … Wir haben uns vor ein paar Tagen schon mal in der Genossenschaft gesehen«, sagt der Franzose. Sein R ist auf Spanisch auffällig kehlig. Er spricht alle Worte flach aus, als wögen sie schwer.
    »Ja, ich weiß … Ich glaube, Du warst der erste Mensch hier, der mich normal begrüßt hat.«
    »Ach so, ja … Der Anfang ist nicht leicht … Das gibt sich …«
    »Ich nehme an, ich werde es überleben.«
    »Ich heiße Henri, aber hier nennen mich alle den Franzosen. Ich bin Tierarzt im Schlachthof.«
    »Pedro«, sie stoßen mit Flasche und Glas an.
    »Pedro«, wiederholt der Franzose, aber bei ihm klingt es eher wie »Pedchó«, »eieiei, das ist schwer für mich«, er lächelt. »Bist Du aus der Stadt?«
    »Ja … aus der Stadt.«
    »Ich bin in Tours geboren, war dann ein Weilchen in Amsterdam, aber ich mag die Städte nicht besonders. Dieser ganze verfluchte Lärm und Gestank … Mir gefallen die Tiere in der Stadt nicht, diese Hündchen und Kätzchen …« Er behilft sich, indem er ein Schoßhündchen nachmacht. P nickt.
    »Das verstehe ich gut. Das sind keine richtigen Tiere …«
    »Genau so ist es. Ich mag echte Tiere: Kühe, Pferde … Deshalb arbeite ich lieber in einem Schlachthof …«
    »Aber dort werden sie geschlachtet …«
    »Ah oui, da werden sie geschlachtet. Aber ich sorge dafür, dass es ihnen dabei einigermaßen gut geht, dass sie keinen Stress und keine Schmerzen haben … Man muss es nur richtig machen, dann ist alles halb so wild. Manche kümmern sich darum, dass das Leben erträglich ist, andere darum, dass der Tod erträglich bleibt.«
    »Bist Du schon lang hier in der Gegend? Du sprichst sehr gut Spanisch …«
    »Ach Quatsch, ich habe einen furchtbaren Akzent.
    Mein Vater war Spanier. Er ist gestorben, als ich ein kleines Kind war …«
    P trinkt einen Schluck.
    »Kam der hier aus der Gegend?«
    »Nee, nee, aus Madrid, Carabanchel. Aber in Madrid gibt’s keine Kühe …«, er lacht. P auch. »Außerdem habe ich meine Freundin hier kennengelernt, sie ist von hier, und wir erwarten ein Kind.«
    »Alors vous avez trouvé ici la femme …«
    »J’éspère que oui: c’est déjà grand temps, à quarante ans … Mais vous parlez français?«
    »Pas vraiment. Ich imitiere nur die Melodie …«
    Man hört einen lauten Schlag. Es sind die Eingangstüren, die sich lautstark gleichzeitig geöffnet haben. Herein purzeln zwei sich prügelnde Körper, ein Durcheinander an Armen und Beinen. Die beiden winden sich auf dem Boden. Einer von beiden ist ein kleiner, mit gefärbten Haaren, der sich häufig mit Kainsmal herumtreibt. Der andere ist ein dicker Typ, den P noch nie gesehen hat. Im ersten Augenblick sieht es so aus, als wäre die Sache ernst, aber Kainsmal und die anderen sind mit hereingekommen und stehen um die beiden herum und amüsieren sich. Madame Bovary geht dazwischen: »Sehr verehrte Herren, Kämpfe bitte vor der Tür, danke sehr.« Die zwei Typen liegen jetzt reglos auf dem Boden, ihre Glieder sind ineinander verhakt.
    Sie keuchen und die Anstrengung ist ihnen anzusehen. Mit roten Spuren im Gesicht und zerzauster Kleidung stehen sie auf. »Scheiße noch mal, schenk mir was ein, ich muss diesem Leitochsen mal zeigen, wie man kämpft«, poltert Kainsmal. Der Leitochse, um den es hier geht, ist der korpulente Typ, der etwa zwei Meter groß und 200 Kilo schwer sein dürfte. Er hat ein Babygesicht und dürfte noch nicht einmal zwanzig Jahre alt sein. Mit der Hand greift er sich an die gerötete, leicht geschwollene Schläfe, die einen Schlag abbekommen haben dürfte. Der andere, der viel älter aussieht, aber eine viel kleinere Portion ist, hüpft herum als wäre er Sieger nach Punkten.
    »Das ist hier manchmal wie früher auf dem Schulhof«, sagt der Franzose.
    »Den Großen habe ich noch nie gesehen.«
    »Den nennen sie Boing, Du kannst Dir vorstellen, warum … Aber die in seiner Größenordnung sind in der Regel harmlos. Unter der Woche studiert er im Tal.
    Deswegen hast Du ihn noch nie gesehen.«
    »Ah ja, von dem hat

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