Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
klingt.
»Nicht die ganze. Nur ein Stück davon«, sage ich und bereue sofort, mich so platt ausgedrückt zu haben. Es ist viel, um es auf einmal zu verdauen. Ich muss es ihr schonend beibringen.
»Du hast sie am Tag der Toten zurückbekommen, als Daire die Knochenhüterin überredet hat, sie freizugeben«, erklärt Paloma. »Vermutlich sind dir seitdem ein paar Veränderungen aufgefallen.«
»Am selben Tag, an dem ich mich von Cade getrennt habe!« Lita schnappt nach Luft, und dann, als ginge es ihr gerade erst auf, hakt sie nach. »Moment mal. Haben Sie gesagt – die Knochenhüterin?« Das schrille Kreischen erreicht einen neuen Höhepunkt. »Wollt ihr mir jetzt etwa auch noch erzählen, es gebe eine Knochenhüterin?«
»Sie hat ein Schädelgesicht, ernährt sich von Sternen und trägt ein schwarzes Ledermieder, Stilettostiefel und einen Schlangenrock«, antworte ich. »Zumindest laut der Legende. Aber Daire hat es bestätigt.«
»Dann ist sie also … ein Goth?«
»Wahrscheinlich der Erste aller Goths«, lache ich. »Ach, und der Schlangenrock ist aus echten Schlangen, die sich um ihre Taille und ihre Beine schlängeln. Und dieselben Schlangen haben die Seelen zurückgeholt, indem sie sich die Kehlen der Richters hinabgewunden haben und …« Ich halte inne, als ich registriere, dass sich Litas Energie zu etwas Schrecklichem, Trostlosem wandelt. Das war also mein sagenhafter Versuch, es ihr schonend beizubringen.
»Okay, also kurz und gut, die Richters sind böse. Dace und Daire sind gut, Geisttiere sind kein Aberglaube, sondern real, es gibt drei Welten – eine Unterwelt, eine Oberwelt und diese hier, die Mittelwelt, und …« Lita zögert, will es nicht aussprechen. »Und ein Teil meiner Seele wurde von meinem Exfreund gestohlen, der sie dann benutzt hat, um einen toten Vorfahren wiederzubeleben, bis sie von einer Schlange zurückgeholt wurde und wieder den Weg zu mir gefunden hat?«
»Sozusagen«, bestätige ich mit reumütiger Piepsstimme.
»Puh. Und da verbringe ich mein ganzes Leben hier und hatte die ganze Zeit nicht die leiseste Ahnung, was wirklich abgeht.«
»Die meisten Menschen sehen nur das, was sie sehen wollen«, wirft Paloma ein. »Erst wenn sie sich diesen Luxus nicht mehr leisten können, sehen sie, was sie sehen müssen.«
»Sonst noch etwas, was ich wissen muss?«, fragt Lita. »Was ist mit Vampiren und Werwölfen – ach, und Elfen? Wo kommen die vor – und sind die auch echt?«
»Dazu kann ich dir nichts sagen, aber ich kann dir sagen, dass Daire es war, die es hat schneien lassen.« Ich schmunzle angesichts der Erinnerung und male mir aus, was für ein Triumph es für sie gewesen sein muss, als nach so vielen gescheiterten Versuchen endlich die Flocken zu fallen begannen.
»Und Cade ist verantwortlich dafür, dass der Himmel Feuer geblutet hat«, ergänzt Paloma.
Die Worte kommen so unerwartet, dass ich mich zu ihr hinüberlehne, während Lita knurrt: »Kann man sich denken.«
»Wie das?«, frage ich und lausche angestrengt, während sich Paloma vom Tisch erhebt, an einen alten, abgesperrten Schrank tritt, einen dicken Folianten herausnimmt und ihn vor uns auf den Tisch legt.
»Der Kodex«, flüstere ich mit ehrfürchtigem Unterton, während die lebhaften Farben seiner Energie vor mir aufblühen.
»Der Kodex? Was ist ein Kodex?« Lita wendet ihre Aufmerksamkeit erst Paloma und dann mir zu.
»Ein Kodex ist ein alter Text. Der Kodex hier wurde von Valentina erschaffen …«
»Einer der ersten Suchenden aus der Familie Santos«, erklärt Paloma. »Sie hat viele Prüfungen durchstehen müssen, um das in diesem Buch enthaltene Wissen anzusammeln, damit alle zukünftigen Suchenden eines Tages davon profitieren können.«
»Und du hast das hier schon mal gesehen?« Lita richtet die Frage an mich, korrigiert sich aber rasch. »Ich meine, du kennst das Ding hier?«
»Ich kenne es, und ich habe es gesehen .« Ich grinse. »Und auch wenn ich die Seiten nicht im eigentlichen Sinne sehen kann, kann ich doch ihre Energie lesen.«
»Und was sagt dir diese Energie jetzt gerade?« Paloma schiebt das ledergebundene Buch über den Tisch, bis es direkt vor mir liegt.
Ich hebe die Hände und lasse sie wenige Zentimeter über dem Buch schweben. Auf der Stelle werde ich von einem sehr intensiven Eindruck überfallen, den ich nur ungern weitergeben möchte.
Das kann nicht sein.
Es ist unmöglich.
Und was, wenn ich es laut auszusprechen wage und sich dann herausstellt, dass ich mich
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