Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
einen Anwalt kontaktiert. Denn der wird ihr sicher raten zu gestehen, dass sie wusste, dass der angebliche Priester Lino war.«
Peabody kratzte sich verblüfft am Kopf, bevor sie endlich in ihren längst eiskalten Burrito biss. » Wawum benn bas?«
» Warum denn das? Weil sie, wenn sie zugibt, dass sie wusste, dass Lino sich als Priester ausgegeben hat, dass sie sich mit ihm getroffen und die alte Freundschaft wieder aufgenommen hat, nicht mehr unmittelbar verdächtigt wird, dass sie ihn ermordet hat.«
Peabody schluckte ihr Essen herunter. » Gehen wir denn davon aus, dass sie es war?«
» Bisher noch nicht. Wie wir eben selbst erlebt haben, ist sie ein echter Hitzkopf. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass sie heimlich in die Sakristei geschlichen ist– wo sie, nun, wie eine Hure in der Kirche sofort allen aufgefallen wäre– und den Wein vergiftet hat. Das war eine sorgfältig geplante, symbolträchtige Tat. Penny hätte ihm bestimmt einfach die Kehle durchgeschnitten und ihn in der Gosse liegen lassen.« Eve dachte kurz darüber nach. » Was sie mir fast sympathisch macht.«
Teresa Franco und ihr Mann warteten bereits, als Eve insLeichenschauhaus kam. Tony Franco hatte einen Arm um die Schultern seiner Frau gelegt und streichelte sie sanft.
» Tut mir leid, dass ich Sie haben warten lassen«, meinte Eve. » Ich habe auf der Fahrt hierher kurz angerufen und man sagte mir, wenn Sie bereit wären, könnte es gleich losgehen.«
Teresa, unter deren Augen dunkle Schatten lagen, sah sie flehend an. » Würden Sie mir bitte sagen, was ich machen soll?«
» Wir sehen ihn uns auf einem kleinen Bildschirm an, und wenn Sie den Leichnam identifizieren können, sagen Sie mir einfach Bescheid.«
» Er hat nie auch nur ein einziges Bild von sich geschickt, und wenn er angerufen hat, hat er die Videofunktion immer gesperrt. In meinem Kopf– in meinem Herzen– ist er immer noch ein Kind.« Sie wandte sich an ihren Mann. » Aber eine Mutter sollte ihren Sohn erkennen. Eine Mutter sollte ihren Sohn erkennen, ganz egal, wie sehr er sich verändert hat.«
» Es ist nicht deine Schuld, Terri. Du hast alles in deiner Macht Stehende getan. Und das tust du immer noch.«
» Wenn Sie bitte mitkommen würden.« Peabody berührte ihren Arm und führte sie in einen kleinen Raum mit einem einzigen Stuhl, einem kleinen Tisch und einem großen Wandbildschirm.
Eve trat vor die Gegensprechanlage, drückte einen Knopf und sprach hinein. » Hier spricht Dallas. Wir sind in Sichtraum eins.« Nach einer kurzen Pause fragte sie: » Also, Mrs Franco, sind Sie bereit?«
» Ja.« Die Knöchel der Hand, die die des Ehemanns umklammerte, traten weiß hervor. » Ja, ich bin bereit.«
» Dann geht es jetzt los«, erklärte Eve und wandte sich dem Bildschirm zu.
Ein weißes Laken bedeckte den Toten von den Achseln bis zu den Zehen. Jemand, sicher Morris, hatte extra das Namensschild vom großen Zeh entfernt. Eve fand nicht, dass Tote aussahen, als würden sie nur schlafen, obwohl andere das vielleicht anders sahen. Andere, denen der Tod noch nie begegnet war.
Teresa holte zischend Luft und lehnte sich an ihren Mann. » Er… er sieht nicht wie Lino aus. Die Gesichtszüge sind schärfer geschnitten und die Nase ist irgendwie länger. Ich habe ein Bild von ihm. Hier, hier habe ich ein Bild von ihm.« Sie zog das Foto aus der Tasche und drückte es Eve in die Hand.
Der Junge war vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt, hübsch, mit einem breiten Grinsen und dunklen, verschlafenen Augen.
» Wir wissen, dass er sein Gesicht chirurgisch verändern lassen hat«, setzte sie an. Doch die Form der Augen, merkte sie, war unverändert, und auch ihre Farbe war fast gleich. Genau wie das dunkle Haar, die Linie des Halses und die Art und Weise, wie der Schädel auf den Schultern saß. » Es gibt eine gewisse Ähnlichkeit.«
» Ja, ich weiß, aber…« Teresa presste die Lippen aufeinander und stieß leise aus: » Ich will nicht, dass es Lino ist. Kann ich… ist es möglich, ihn mir aus der Nähe anzusehen? In den Raum zu gehen, in dem er liegt, und ihn mir aus der Nähe anzusehen?«
Eve hatte gehofft, dass es genügen würde, sich den Toten auf dem Bildschirm anzusehen. Und zwar aus demselben Grund, aus dem das Schild von seinem Zeh abgenommen worden war. Um der Mutter so viel Leid wie möglich zu ersparen. » Wollen Sie das wirklich?«
» Nein, nein, ich will es nicht. Aber ich muss es einfach tun.«
Eve trat wieder vor die
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