Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
als er eines Nachts nach Hause kam und ich das X unter seiner Tätowierung sah. Wir haben uns fürchterlich gestritten, ich habe geschrien, dass er ein Killer ist. Ich habe meinen Sohn als Mörder tituliert.«
Jetzt brachen sich die Tränen wieder Bahn. Teresa zog ein Taschentuch hervor, wischte sich damit durch das verquollene Gesicht und fuhr mit rauer Stimme fort: » Er meinte, ich würde nichts verstehen, er hätte keine andere Wahl gehabt, aber er wäre gleichzeitig stolz auf seine Tat, und vor allem wüssten jetzt die anderen, dass er ein echter Mann wäre. Jetzt hätten sie Respekt vor ihm. Damals war er gerade einmal fünfzehn Jahre alt. Er war gerade einmal fünfzehn Jahre alt, als er mit dem frischen Mordsymbol am Arm nach Hause kam.«
Sie brach ab und atmete ein paarmal aus und ein. » Ich wollte, dass er die Stadt verlässt. Wollte, dass er von der Straße wegkommt und aus dieser Gang aussteigt. Aber als ich ihm sagte, dass ich zwei Busfahrkarten nach El Paso kaufen würde… meine Patentante lebte dort und meinte, wir könnten zu ihr kommen, sie würde mir helfen, dort einen Job zu finden, mit dem ich uns ernähren kann.«
» Ihre Patentante?«
» Eine alte Freundin meiner Mutter. Meine Mutter war damals schon tot. Mein Vater hatte sie totgeschlagen, als ich sechzehn war. Hatte sie einfach totgeschlagen, kurz, nachdem ich von zuhause weggelaufen war. Weshalb ich wahrscheinlich bei genau dem gleichen Männertyp gelandet bin. Ich weiß, dass das typisch ist, ein schrecklicher Kreislauf, dass es so etwas wie eine Krankheit ist. Aber meine Patentante hatte ein Haus und Arbeit, und sie lud uns zu sich ein. Doch als ich das Lino sagte, weigerte er sich rundheraus, seine Freunde zu verlassen. Ich habe argumentiert, gebettelt und gedroht, aber er ging einfach aus dem Haus, warf die Tür hinter sich zu und tauchte erst nach einer Woche wieder auf.«
Sie brach ab, und während sie erneut an ihrem Wasser nippte, streichelte Tony zärtlich ihren Arm. » Es reicht, Terri. Es reicht.«
» Nein, ich werde es zu Ende bringen. Und zwar jetzt. Ich ging zur Polizei, denn ich hatte Angst, ihm wäre irgendetwas passiert. Aber ein Junge wie Lino weiß, wie man sich versteckt, erst als er es wollte, kam er irgendwann zurück. Er meinte, ich könnte seinetwegen nach El Paso fahren, aber er bliebe auf alle Fälle hier. Ich sollte ruhig fahren, denn er käme auch allein zurecht. Falls ich dächte, ich könnte ihn zwingen mitzukommen, liefe er eben einfach wieder weg. Denn er ließe seine Familie nicht im Stich. Ließe die Soldados nicht im Stich. Also blieb ich auch. Er hatte mich besiegt. Er lebte, wie er wollte, und ich ließ es einfach zu.«
» Er hat über all die Jahre die Medaille aufbewahrt, Mrs Franco«, rief ihr Eve mit ruhiger Stimme in Erinnerung.
Teresa blickte sie aus tränennassen Augen dankbar an.
» Mrs Franco, Sie haben gesagt, er wäre auch vorher hin und wieder abgehauen, mal für ein paar Tage und einmal sogar für eine ganze Woche. Aber nachdem er sich zuvor standhaft geweigert hatte, umzuziehen, obwohl Sie einen Ort gehabt hätten, an den Sie hätten gehen können, hat er Ihnen beim letzten Mal, als er gegangen ist, erklärt, dass er New York verlässt.«
» Ja, ja, das stimmt. Ich habe ihm nicht geglaubt, nicht mal, als ich ihn seine Sachen packen sah. Ich habe nicht wirklich geglaubt, dass er die Stadt verlässt, dabei hat ein Teil von mir sogar gehofft, dass er es tut. Es ist schlimm, wenn eine Mutter so empfindet, aber so ging es mir nun mal. Trotzdem dachte ich, er wäre nur wütend und wollte jemandem eins auswischen. Ich wusste, dass er sich mit Joe– mit Joe Inez– wegen irgendwas gestritten hatte und deswegen wütend auf ihn war. Und da nur Lino und dieser junge Chávez zusammen verschwinden wollten, habe ich mich gefragt, ob Lino vielleicht auch mit Penny in Streit geraten war.«
» Worüber hatten die beiden sich gestritten? Lino und Joe Inez?«
» Das weiß ich nicht. Er hat mir nie etwas von sich oder der Gang erzählt. Über diese Dinge hat er nie mit mir gesprochen. Aber ich weiß, dass sie alle wegen des Bombenanschlags in der Schule wütend waren. Die gesamte Nachbarschaft war deswegen in Aufruhr. Weil ein junges Mädchen bei der Explosion gestorben war. Andere hatten Verletzungen davongetragen und auch Lino wies diverse Schnitt- und Brandwunden auf. Einer seiner Freunde– ein anderer Soldado– lag lebensgefährlich verletzt im Krankenhaus. Sie dachten, er würde vielleicht
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