Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
nimmst sie freiwillig, oder ich zwinge dich dazu.«
» Hör zu, lass mich in Ruhe oder…«
Er legte ihr eine Hand hinter den Kopf und sie machte sich darauf gefasst, dass er versuchen würde, ihr die Pille mit Gewalt in den Mund zu schieben. Was ihr gar nicht ungelegen käme, denn dann könnte sie sich doch noch mit ihm streiten, und der Streit lenkte sie vielleicht vondem Unbehagen ab, das sie seit dem Aufstehen empfand.
Dann aber gab er ihr plötzlich einen sanften Kuss.
Sie ließ die Hände, die sie kampfbereit gehoben hatte, wieder sinken, denn die Zärtlichkeit des Kusses brachte sie völlig aus dem Konzept.
» Verdammt«, entfuhr es ihr, als er mit den Lippen über ihre Wange glitt.
» Du hast kaum geschlafen.«
» Ich bin okay. Am besten schließe ich den Fall so schnell wie möglich ab, dann habe ich es hinter mir.«
» Nimm die Tablette, ja?«
» Manchmal kannst du wirklich nerven.« Trotzdem nahm sie ihm die Pille ab und schluckte sie. » Ich kann nicht einfach so tun, als wüsste ich es nicht. Ich kann sie nicht einfach einen Mord begehen lassen und wegsehen.«
» Nein. Das kannst du nicht.«
» Und selbst wenn ich es könnte, selbst wenn ich es schaffen würde, irgendwie damit zu leben, selbst wenn ich sie laufen lassen würde, würde ich dadurch auch Penny Soto laufen lassen. Und das kann ich beim besten Willen nicht.«
» Eve.« Er massierte ihre harten Schultern. » Du brauchst mir nichts zu erklären. Du brauchst niemandem etwas zu erklären, aber am allerwenigsten mir. Ich könnte einfach wegsehen. Ich könnte das. Ich könnte es und fände einen Weg außerhalb der Gesetze, um dafür zu sorgen, dass die andere zahlt. Aber das könntest du niemals. Es gibt da diese bewegliche Grenze zwischen uns. Ich weiß nicht, ob sie bedeutet, dass einer von uns beiden recht und der andere unrecht hat. Sie macht uns beide einfach aus.«
» Ich habe mich auch schon außerhalb des Rahmens der Gesetze bewegt. Habe dich darum gebeten, das zu tun, als es um Robert Lowell ging. Das habe ich getan, weil ich sichergehen wollte, dass er für die Frauen, die er gefoltert und ermordet hat, bezahlt. Das habe ich getan, weil ich Ariel mein Wort gegeben hatte, dass er zahlen wird.«
» Das ist nicht dasselbe, das weißt du ganz genau.«
» Ich habe die Grenze überschritten.«
» Manchmal bewegt sich diese Grenze auch.« Er schüttelte sie sanft. » Wenn das Recht, wenn die Justiz kein Mitleid mit den Menschen hat, wenn sie nicht beweglich und nicht menschlich ist, ist sie nicht mehr gerecht.«
» Ich hätte nicht damit leben können, dass er den leichten Ausweg wählt, dass ihm das Gesetz den leichten Ausweg lässt. Deshalb habe ich die Grenze verschoben.«
» Und, war das gerecht?«
» Es hat sich für mich so angefühlt.«
» Dann geh los.« Er hob ihre Hände kurz an seinen Mund und küsste sie. » Dann mach deinen Job.«
» Ja.« Sie wandte sich zum Gehen, blieb dann aber noch einmal stehen und sah ihn über ihre Schulter hinweg an. » Ich habe von Marlena geträumt. Von ihr und Quinto Turner. Sie waren beide kurz vorher ermordet worden.«
» Eve.«
» Sie hat zu mir gesagt, sie würde ihn mitnehmen, und das hat sie getan. Sie meinte, für die Unschuldigen gäbe es einen besonderen Ort und dort brächte sie ihn hin. Glaubst du, es gibt wirklich einen solchen Ort? Einen Ort, der nur für Unschuldige ist?«
» Ja, das glaube ich.«
» Ich hoffe, du hast recht.«
Sie trat in den Flur hinaus, ging in ihr Büro, bereitete die nächsten Schritte vor, und als Peabody und McNab erschienen, wies sie einfach auf die Küchentür, und mit einem zweistimmigen Freudenschrei machten sich die beiden an die Plünderung des allzeit gut bestückten AutoChefs.
Eve blieb bei Kaffee. Die Tablette und vielleicht auch das Gespräch mit Roarke hatten bewirkt, dass sie inzwischen wieder fast die Alte war.
Sie zog ironisch eine Braue hoch, als sie ihre Kollegen mit randvoll gefüllten Tellern und dampfenden Bechern wiederkommen sah.
» Glauben Sie, Sie haben sich genug geholt, damit Sie während der Besprechung nicht verhungern?«
» Belgische Waffeln mit Früchten der Saison.« Peabody setzte sich auf einen Stuhl und machte sich begeistert über die Köstlichkeiten her. » Die machen sicher richtig satt.«
» Hauptsache, Sie sperren Ihre Ohren so weit auf wie Ihren Mund.«
Sie fing mit Ortega an und erklärte ihnen ihre Theorie.
» Am Ende der sieben Jahre hätte er als Witwer um die sechshundertfünfundachtzig
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