Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
gesund. Ich habe auch das Porträt gezeichnet, wenn auch mit Annamarias Zügen. Und als ich vor dem Schrein kniete und weinte, wurde mir bewusst, dass mein zukünftiges Leben Gott gehören würde, ich reiste wieder heim, arbeitete und sparte Geld fürs Seminar. Dort fing mein neues Leben an. Ich träume manchmal immer noch davon, dass sie neben mir liegt und unsere Kinder sicher in ihren Betten schlafen, und habe mich schon oft gefragt, ob das Gottes Belohnung dafür ist, dass ich seinen Willen akzeptiere, oder seine Strafe dafür, dass ich vorübergehend ein Zweifler war.«
» Was ist mit den Männern passiert?«
» Sie wurden vor Gericht gestellt, verurteilt und hingerichtet. Weil es damals in Mexiko noch die Todesstrafe gab. Aber ihr Tod hat weder Annamaria noch das andere Mädchen noch die junge Frau, die, wie ich erfuhr, vor Annamaria von ihnen getötet worden ist, zurückgebracht.«
» Nein. Aber danach haben sie keine junge Frau mehr vergewaltigt, geschlagen und eigenhändig erwürgt. Vielleicht war es also auch Gottes Wille, dass die Kerle gestorben sind.«
» Das kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass mir ihr Tod keine Freude bereitet hat.« Er stand auf und stellte seinen leeren Becher ordentlich neben den AutoChef. » Sie haben auch schon getötet.«
» Ja.«
» Und es hat Ihnen keine Freude gemacht.«
» Nein.«
Er nickte verständnisvoll. » Ich werde Ihnen die Namen besorgen, vielleicht finden wir ja, wenn wir diesen Weg gemeinsam gehen, Gerechtigkeit und Gottes Willen.«
Vielleicht, dachte Eve, als sie wieder alleine war. Nur dass die Gerechtigkeit für sie den Vorrang hatte, solange sie Polizistin war.
7
Sie wusste nicht genau, warum, doch während der gesamten Fahrt nach Hause war sie furchtbar schlecht gelaunt. Die Horden von Touristen, die wie eine Schar von Hühnern, kurz bevor sie jemand rupfte, laut gackernd durch den New Yorker Frühling tollten und auf die sie für gewöhnlich mit belustigtem Zynismus reagierte, änderten daran genauso wenig wie die animierten Werbetafeln, auf denen die Industrie ihre Waren feilbot. Dort wurde von der neuen Sommermode– anscheinend waren durchsichtige Schuhe, die die sorgfältig gepflegten Füße ihrer Trägerinnen vorteilhaft zur Geltung brachten, momentan der allerletzte Schrei– bis hin zu Pobacken-Implantaten offenbar alles angeboten. Eve stellte sich vor, dass die ganze Stadt voll unsichtbarer Schuhe, angemalter Zehennägel und gepolsterter Ärsche wäre, doch es nützte nichts.
Auch die » Rabatte! Rabatte! Rabatte!« blökenden Werbeflieger, die über ihrem Wagen kreisten und den Luftverkehr behinderten, drangen nicht durch die Wolke der Verärgerung hindurch.
Sie hatte einfach kein Vergnügen an dem Chaos, der Kakophonie, dem typischen Wahnsinn der von ihr geliebten Stadt, und als sie endlich durch die Tore ihres Grundstücks fuhr, freute sie sich nicht einmal darüber, dass sie dem Treiben endlich entkommen und zuhause war.
Was zum Teufel machte sie hier überhaupt? Sie hätte auf der Wache bleiben und die schlechte Laune für die Arbeit nutzen sollen. Hätte sich in ihrem Büro einsperren, eine Kanne schwarzen Kaffee kochen und sich in die Beweise, die Fakten, die greifbaren Dinge vertiefen sollen, statt sich in Grübeleien zu ergehen.
Warum in aller Welt hatte sie López danach gefragt, was er gemacht hatte, bevor er in die Soutane gestiegen war?
Es spielte keine Rolle. Es war vollkommen egal. Was hatte es mit ihrem Fall zu tun, dass die Liebe seines Lebens von irgendwelchen Schweinen erschlagen, vergewaltigt und erdrosselt worden war?
Schließlich zählte nur, dass sie das Opfer identifizierte und den Mörder fand. Es gehörte nicht zu ihrem Job, über eine junge Mexikanerin nachzudenken, die nackt und tot an einem Fluss liegen gelassen worden war. Sie hatte selbst bereits mit zu vielen Toten zu tun, um sich auch noch für eine tote, junge Frau zu interessieren, die für ihre Arbeit ohne jegliches Interesse war.
Sie stieg aus ihrem Wagen, stapfte Richtung Haus und war plötzlich derart deprimiert, dass sie nicht einmal den Schlagabtausch mit Summerset genoss, als sie das Foyer betrat.
» Lecken Sie mich an meinem naturbelassenen Arsch, wenn ich Ihnen nicht mit meinem undurchsichtigen Stiefel in den Hintern treten soll«, raunzte sie ihn an, bevor er etwas sagen konnte, stürmte weiter zum Lift und fuhr hinunter in den Fitnessraum. Am besten trieb sie erst einmal Sport, bis sie ordentlich ins Schwitzen kam.
Oben in der
Weitere Kostenlose Bücher