Im Netz der Angst
draußen warten?«
»Das würde ich gern, aber ich muss das hier tun, für Taylor.« Sie stockte. »Ich muss das für meine Schwester tun.«
Gannon legte der kleineren Frau einen Arm um die Schultern. »Also gut. Lassen Sie uns reingehen.«
Josh öffnete die Vordertür und trat zur Seite, um die beiden Frauen durchzulassen. Er sah, wie Gannon zusammenzuckte, als sie das Erbrochene in den Büschen neben dem Eingang bemerkte, und fragte sich, wie sie wohl erst auf den Anblick im Innern des Hauses reagieren würde. Er wusste, dass es rücksichtslos von ihm war, sie nicht vorzuwarnen, doch er wollte ihre spontane Reaktion durch nichts beeinträchtigen.
Marian ging hinein und blieb gleich darauf wie angewurzelt stehen. Sie schlug die Hände vor den Mund; ihre Schultern verkrampften sich, als würde sie sich übergeben müssen. Gannon stand hinter ihr und stützte sie mit einem Arm. Dann sah sie sich um und sie schnappte nach Luft, als ihr Blick auf die blutverschmierten Wände fiel.
Sie wurde kreidebleich und schien das Gleichgewicht zu verlieren. Er konnte es ihr nicht verübeln. Ihm selbst hatte das zugesetzt, als er noch nicht gewusst hatte, dass Taylor sich mit den Scherben der Weinflasche selbst verletzt und anschließend mit ihrem eigenen Blut diese seltsamen geometrischen Muster an die Wand gemalt hatte. Und es war ja nicht sein erster Mordfall.
Aimee schmeckte bittere Galle im Mund. »Was hat das zu bedeuten?«, murmelte sie, ohne den Blick von den besudelten Wänden zu lösen.
»Wir sind nicht sicher«, antwortete Wolf hinter ihr. »Ich hatte gehofft, dass Sie das vielleicht wissen.«
»Woher sollte ich?« Aimee drehte sich zu ihm um. Seine dunklen Augen waren direkt auf sie gerichtet und schienen irritierenderweise bis in ihr Innerstes blicken zu können.
»Weil Sie Taylor besser kennen als wir«, sagte er, während sein Blick zwischen den beiden Frauen hin- und herschnellte.
»Sie denken, das war Taylor?«, fragte sie.
»Es sieht ganz so aus.« Wolf deutete mit einer Kinnbewegung auf die Wände. »Das ist jedenfalls ihr Blut und auch ihre Fingerabdrücke sind überall auf den Wänden.«
»Ihr Blut?«, wiederholte Aimee. Natürlich – all die Schnittverletzungen an Taylors Körper. Der Boden geriet ins Wanken, und ihr Sichtfeld begann zu verschwimmen.
»Alles in Ordnung, Doc?« Wolf streckte eine Hand aus, um sie aufzufangen.
Sie konzentrierte sich auf die Wärme, die von seiner kräftigen, großen Hand auf ihren Arm ausstrahlte. Ihr restlicher Körper war furchtbar kalt. »Mir geht’s gut«, sagte sie. »Das ist nur so entsetzlich.«
Wolf strich sich mit der freien Hand über das Gesicht. »Wohl wahr.«
Offenbar hatte er den Anblick dieses Tatorts auch nicht einfach so weggesteckt.
»Irgendeine Ahnung, was dahinterstecken könnte? Warum malt sie immer wieder dasselbe Symbol?«, fragte Wolf.
Aimee nahm sich zusammen und richtete ihren Blick wieder auf die Wand. »Ich habe keinen blassen Schimmer.«
Sie schaute zu Marian hinüber, die immer noch reglos, mit den Händen vor dem Mund und tränenüberströmten Wangen dastand. Plötzlich wurde ihr etwas klar und kalte Wut stieg in Aimee auf. Josh Wolf hatte gewusst, in was er sie da hineinschickte! Er hatte ganz genau gewusst, welcher Anblick sich ihnen bieten würde, und sie extra nicht darauf vorbereitet, nur um ihre Reaktionen wie bei einem Versuchskaninchen beobachten zu können.
Sie schüttelte seine Hand ab, legte die Arme um Marian und drehte sie weg von der entsetzlichen Szenerie. »Sie müssen sich das nicht ansehen. Und Sie müssen sich darüber auch nicht den Kopf zerbrechen«, raunte sie ihr zu.
Marian begann zu schluchzen. »Meine arme Schwester«, wimmerte sie. »Wer tut so etwas? Wer würde überhaupt auf so etwas kommen?«
Aimee tätschelte Marians Rücken und starrte Detective Wolf wütend an. »Ich weiß es nicht, Marian. Schwer zu sagen, was in manchen Menschen vorgeht.«
Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Aimee Marian Phillips wieder einigermaßen beruhigt hatte. Es half auch nicht gerade, dass sie selbst unter der ruhigen Oberfläche vor Wut kochte. Kaltschnäuziger und gefühlloser ging es ja wohl nicht! Detective Wolf mochte groß und gut aussehend sein, auf der richtigen Seite war er deswegen noch lange nicht.
Wie hatte sie bloß alles vergessen können, was sie über den Umgang mit Polizisten gelernt hatte? Sie verfolgten ja doch nur ihre eigenen Absichten. Und auch ihre Methoden unterschieden sich deutlich von
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