Im Netz der Angst
gemacht, als Taylor auf sie reagierte. Das Mädchen hielt den Blick weiterhin gesenkt und hatte das Plüschtier fest umklammert. Die Hand, die sie auf Aimees gelegt hatte, war eiskalt. Aimee versuchte sie zu wärmen.
»Nein, nein«, beeilte sich Sean zu sagen. »Da gibt es nichts zu unterbrechen. Wir waren fertig.«
Josh räusperte sich und Aimee blickte zu ihm auf. »Dr. Gannon, wenn das alles war, was ich für Sie tun konnte, dann müsste ich langsam los.« Damit ging er ohne ein weiteres Wort aus dem Aufenthaltsraum.
Aimee seufzte und sah ihm nach. Was zum Teufel war bloß in ihn gefahren? Eben hatte er sie noch schwindelig geküsst und jetzt zeigte er ihr die kalte Schulter? – Warum?
Sean wollte sich ebenfalls auf den Weg zum Ausgang machen, doch im nächsten Moment klingelte sein Handy. Er lächelte entschuldigend . »Tut mir leid«, sagte er, zog das Handy aus der Tasche und klappte es auf.
»Hallo«, meldete er sich und hörte eine Weile nur zu.
»Bingo? Du meinst den Welpen von Thomas?«, fragte er dann und runzelte die Stirn. »Nein. Seit gestern Abend nicht mehr. Ich glaube, ich hab ihn im Wäschezimmer gesehen, als ich von der Arbeit gekommen bin. Habt ihr in allen Schränken gesucht?« Wieder lauschte er. »Klar werde ich suchen helfen. Er ist wahrscheinlich nur irgendwo eingeschlafen.«
Dann klappte er das Handy zu und schüttelte den Kopf. »Mein kleiner Bruder hat sein Hündchen verloren. Ich soll nach Hause kommen, um bei der großen Welpensuche mitzuhelfen.« Er lächelte.
Aimee setzte sich neben Taylor und strich ihr über den Rücken. »Wie alt ist denn dein Bruder?«
»Fünf«, sagte Sean. »Und eigentlich ist er mein Stiefbruder. Na ja, wohl eher zukünftiger Stiefbruder. Mein Vater wird wieder heiraten. Und Thomas ist der Sohn seiner Verlobten aus einer früheren Ehe. Ein toller Junge.«
»Der sein Hündchen verloren hat«, sagte Aimee.
»Ja, deswegen muss ich jetzt auch los, schätze ich. War nett, Sie kennenzulernen.« Sean ging hinaus und Aimee schenkte nun Taylor ihre ganze Aufmerksamkeit.
»Hi, Taylor«, begann sie sanft. »Wie geht’s dir?«
Taylor hörte nicht auf, sich vor- und zurückzuwiegen, hielt Aimees Hand aber weiterhin fest.
»Geht es dir ein wenig besser?« Aimee kam sich irgendwie komisch vor, Fragen zu stellen, ohne je eine Antwort zu erhalten. Seufzend tätschelte sie Taylors Rücken. Alles, was sie im Moment für die Kleine tun konnte, war, ihr zu zeigen, dass sie für sie da war und ihr helfen würde, wenn sie bereit war, Hilfe anzunehmen. Sie saßen eine ganze Weile schweigend beisammen.
Dann schneite Marian Phillips zur Tür herein, blieb jedoch wie angewurzelt stehen, als sie Aimee sah. »Was tun Sie denn hier?«
Aimee stand auf. »Marian, das mit gestern tut mir schrecklich leid«, sagte sie entschuldigend.
»Es tut Ihnen leid?!« Marian marschierte schnurstracks auf sie zu. »Ich soll dieses Kind beschützen! Und ich habe Ihnen vertraut! Als ich vom Mittagessen zurückkam, war Taylor gefesselt und so stark sediert, dass sie nicht mal mehr die Augen aufbekam.«
Aimee wusste: Das war allein ihre Schuld. Daran führte kein Weg vorbei. »Ich habe sie zu sehr gedrängt, Marian. Das hätte ich nicht tun sollen. Aber ich fand es wichtig, es wenigstens zu versuchen.«
»Ich bin nicht bereit, meine Nichte zu opfern, um den Mörder ihrer Eltern zu finden.« Sie starrte Aimee wütend an.
»Dabei geht es aber auch um Taylor und nicht nur um ihre Eltern.« Aimee erzählte Marian von den Symbolen auf dem Selbstporträt, das Taylor vor einigen Monaten gemalt hatte.
Marian sank auf den Stuhl neben Taylor. »Dasselbe wie auf den Wänden? Was hat das zu bedeuten?«
Aimee nahm neben ihr Platz. »Ich bin nicht sicher, für Taylor hat es jedenfalls große Bedeutung.«
Marian nickte und sah sich um. »Ist Sean gegangen?«, fragte sie.
Aimee bestätigte das. »Da ging es um einen vermissten Welpen. Er muss beim Suchen helfen.«
»So war er schon als kleiner Junge: stets hilfsbereit. Es ist schön zu sehen, dass er sich zu einem solch netten jungen Mann entwickelt hat. Wir hatten schließlich jahrelang keinen Kontakt. Als Carl und Nancy sich getrennt haben, ist Nancy zurück in den Mittleren Westen gezogen, wo sie auch aufgewachsen ist. Ihre Eltern leben immer noch dort. Und Sean hat sie damals mitgenommen. Ab und zu ist er wohl zu Besuch hier gewesen, aber da haben wir uns nie getroffen. Stacey erzählte mir dann, er wolle wieder nach Sacramento ziehen und für
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