Im Netz der Angst
hier hat nichts mit Taylor zu tun«, sagte Aimee. »Das ist eine ganz andere Geschichte.«
Sie hielt die Hände fest im Schoß verschlungen, Josh konnte sehen, dass sie zitterten. Sie war vollkommen verängstigt.
»Um was für eine Geschichte handelt es sich denn?«, fragte er und legte einen Arm auf die offene Fahrertür.
»Ich denke, es geht um einen ehemaligen Patienten von mir.« Josh betrachtete ihren schlanken Hals, als sie schwer schluckte, offenbar bemüht, weiterhin ruhig und mit fester Stimme zu sprechen. Er fragte sich, wie er diese sanfte Stimme wohl dazu bringen könnte, dass sie sich vor Leidenschaft erhob, und sofort verkrampfte sich sein Magen. »Er … hat mich schon früher belästigt. Er wurde vor Kurzem aus Vacaville entlassen. Ich schätze, dass all das mit ihm zu tun hat.«
Josh nickte. Ein Stalker blieb immer ein Stalker. Auch Urlaub auf Staatskosten in irgendeiner Nervenheilanstalt konnte daran nichts ändern. »Kyle Porter.«
Sie schaute mit weit aufgerissenen Augen zu ihm auf. »Sie wissen davon?«
Er zuckte mit den Achseln. »Elise hat das herausgefunden. Der Name Gannon kam ihr irgendwie bekannt vor, also hat sie ihn überprüft. Wie lange ist er schon draußen?« Josh trommelte mit den Fingern auf dem Autodach herum.
»Ein paar Wochen.«
»Irgendeine Kontaktaufnahme vor dem jetzigen Zeitpunkt?«
Sie sog tief Luft ein, als würde sie gleich etwas sagen, atmete dann aber einfach nur aus und blickte auf die Hände in ihrem Schoß. »Nein. Jedenfalls nichts, von dem ich das mit Bestimmtheit behaupten könnte.«
Josh warf einen Blick zu Hance hinüber, der achselzuckend eine Augenbraue hob.
»Gab es irgendeine Form von Kontakt, die Sie ohne Bestimmtheit benennen könnten?«, fragte Josh, obwohl ihm klar war, dass das keinerlei Sinn ergab. Entweder hatte sich dieser Schmierlappen hier herumgetrieben und sie hatte das bemerkt oder eben nicht. Niemand war so geschickt, wie er dachte, und die Perversen schon gar nicht. Sie hielten sich allesamt für kriminelle Superhirne, waren jedoch in den meisten Fällen dumm wie Bohnenstroh.
Ob Aimee etwas aufgefallen war, stand jedoch auf einem ganz anderen Blatt. Die meisten Menschen achteten im Alltag überhaupt nicht auf ihre Umgebung. Ihm hingegen fiel nach jahrelanger Polizeiarbeit jede Kleinigkeit auf. Denn ein Auge auf die Details zu haben, konnte eines Tages über Leben und Tod entscheiden. Kaum jemand war sich dessen bewusst. Er hätte allerdings gedacht, dass Aimee das klar wäre, nachdem sie bereits verfolgt worden war und ihr Stalker nun wieder frei herumlief.
»Ich … ich bin nicht sicher«, murmelte sie mit gesenktem Blick, als würde sie mit ihren verschlungenen Händen sprechen.
Josh bückte sich, bis er auf Augenhöhe mit ihr war. Obwohl er versucht hatte, sich innerlich zu wappnen, traf ihn ihr Blick erneut mit voller Wucht. »Dr. Gannon, ist irgendetwas vorgefallen, mag es auch noch so weit hergeholt sein, das Sie irgendwie nervös gemacht hat?«
Sie nickte, und dann sprudelte es nur so aus ihr hervor. »Ich habe mich nicht mehr sicher gefühlt, seit Kyle mich damals angegriffen hat und ich erfahren hatte, wie lange er mich schon stalkte. Ständig habe ich den Eindruck, als ob mich jemand beobachtet oder dass irgendwas nicht stimmt.«
So langsam verstand Josh. Ihre Vorsicht. Ihr mutiges Auftreten. Aimee Gannon lebte in ständiger Furcht, gestand sich aber selbst nicht das Recht zu, ängstlich zu sein.
»Ich denke, wir sollten einige dieser Eindrücke aus den letzten Wochen durchgehen und versuchen, sie einzuordnen. Wenn es nicht Kyle war, dann eben ein anderer.« Er richtete sich wieder auf. Clyde sollte inzwischen oben mit allem fertig sein, und der Kadaver war bestimmt längst beseitigt. Der Gestank würde nicht so schnell wieder verschwinden, aber dagegen konnte er nichts tun. »Wir sollten zu Ihrer Wohnung gehen. Ihr Verlobter macht sich bestimmt schon furchtbare Sorgen.«
Aimee schüttelte den Kopf. »Wir haben uns vor fast einem Jahr getrennt, Detective Wolf. Ich bin nicht verlobt.«
Nach dem Scheitern seiner eigenen Verlobung war Josh tief verzweifelt gewesen, und das wünschte er wirklich niemandem. Dennoch konnte er seine Freude darüber, dass Aimee Gannons Verlobter aus dem Rennen war, nicht unterdrücken. Seine Gedanken überschlugen sich, er fragte sich, was da schiefgelaufen war und ob er vielleicht doch eine Chance bei ihr hatte.
Aimee gab sich einen Ruck, stieg aus und schwang sich die Handtasche über
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