Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Netz der Angst

Im Netz der Angst

Titel: Im Netz der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Carr
Vom Netzwerk:
Fußabtreter und für noch Schlimmeres benutzt hatten.
    Noch unerträglicher war, dass Aimee ihre eigenen Grundsätze verraten hatte.
    Alle hatten erwartet, dass sie Kyle anzeigen würde, aber sie hätte das nicht mit so viel Freude tun müssen. Wie konnte sie weiterhin von sich behaupten, für diejenigen zu sprechen, die keine Stimme hatten, wenn sie ihre Überzeugungen abstreifte, sobald sie persönlich betroffen war? Gerade sie hätte doch verstehen müssen, was ihn so weit gebracht hatte, sie an jenem Abend zu Boden zu stoßen und ihr Kinn zu zertrümmern, das dann genäht werden musste. Sie hätte doch seine Wut und den Wunsch nach Macht und Kontrolle verstehen müssen, woraufhin er ihr die Kleider zerrissen und ihre Beine mit dem Knie auseinandergezwängt hatte.
    Sie schluckte schwer, während sie durch die dunklen Straßen steuerte. Dann atmete sie tief durch und gab gerade genug Gas, um ein wenig schneller als vorgeschrieben zu fahren. Ihr Herz hämmerte, als wäre Kyle jetzt gerade hier, würde sie beobachten und auf eine weitere Gelegenheit lauern, ihr etwas anzutun; das von ihr zu rauben, was ihm selbst in vielen Jahren des Missbrauchs und der Vernachlässigung genommen worden war.
    Ihr wehzutun würde ihm nicht helfen. Genau wie es ihr nicht geholfen hatte, Kyle hinter Gitter zu bringen.
    Damals hatte sie sich eingeredet, dass sie nur nach einem Weg suchte, damit abzuschließen und dass sie Kyle einfach an einem Ort wissen wollte, an dem er weder ihr noch jemandem sonst schaden konnte. Tief im Innern hatte sie jedoch gewusst, dass das eine Lüge war. Sie hatte vor Wut geschäumt wie ein brodelnder Vulkan. Sie war beim geringsten Anlass explodiert. Sie wollte, dass er bestraft wurde, dass er getroffen war. Sie wollte, dass er sich ebenso klein und machtlos vorkam wie sie damals auf dem Boden ihres Büros, als es ihr in ihrem Schockzustand nicht gelungen war, auch nur um Hilfe zu schreien. Stattdessen hatte sie dabei zugesehen, wie er sich die Jeans aufgemacht hatte, und sich hilflos ihrem unvermeidlichen Schicksal ergeben.
    Danny hatte dem ein Ende bereitet. Danny, mit dem sie verabredet gewesen war, weil sie etwas trinken gehen wollten, und der ungeduldig geworden war. Danny, der sie auf dem Handy nicht erreicht hatte. Danny, der ihr zu Hilfe geeilt war. Der in ihr Büro gestürzt war und Kyle quer durch den Raum geschleudert hatte.
    Und es war Danny gewesen, der als Nächster ihren Zorn zu spüren bekommen hatte.
    Allen anderen gegenüber hatte sie eine entschlossene, aber ruhige Aimee vorspielen können. Nicht jedoch Danny. Er war derjenige, der dabei war, wenn sie mit Geschirr um sich warf. Er war derjenige, der mitansehen musste, wie sie auf Wände einschlug oder unkontrollierte Weinkrämpfe bekam. Er war derjenige, der sie halb nackt und blutig geschlagen gesehen hatte – und Aimee hatte ihm das niemals verziehen, obwohl er es doch gewesen war, der sie gerettet hatte.
    Sie hatte sich bemüht, sich wieder aufzurappeln. Sie hatte sich in der Hoffnung, regelmäßiger Sport würde ihr helfen, einer Frauenlaufgruppe angeschlossen. Ein wenig half es wirklich, doch nicht genug, außerdem war es bereits zu spät. Sie hatte bereits ihre Beziehung zerstört, Danny zu oft von sich weggestoßen, ihn zu streng dafür bestraft, dass er versuchte, ihr zu helfen. Manchmal fragte sie sich, ob sie vielleicht immer schon gewollt hatte, dass er aus dieser Tür ging.
    Sie fuhr in die Tiefgarage und blieb einen Moment mit dem Kopf auf dem Lenkrad im Wagen sitzen. Schließlich zog sie den Schlüssel ab, musterte rasch die Umgebung, stieg aus und verriegelte das Auto hinter sich.
    Wie immer schlug ihr Herz ein wenig schneller, sobald sie durch die menschenleere Garage eilte. Wie immer ging sie im Kopf all die Sicherheitsvorkehrungen ihrer Eigentumswohnung durch, in die sie eingezogen war, nachdem Danny das gemeinsame Haus verlassen hatte. Wie immer erreichte sie den Fahrstuhl, ohne dass sie von jemandem angefallen wurde, der sich hinter einer Säule oder in den Schatten eines parkenden Autos versteckt gehalten hatte. Wie immer lauerte auch in dem leeren Fahrstuhl keinerlei Gefahr. Erleichtert, dass sie unbeschadet angekommen war, stieg sie ein. Die Türen schlossen sich, sie drückte auf den Knopf mit der Zwei.
    Abwartend behielt sie die Anzeige über der Tür im Blick. Als sie auf ihrer Etage ausstieg, stieg ihr etwas Unangenehmes in die Nase. Das war ungewöhnlich, allerdings wurde der Müll auch erst am Dienstag wieder

Weitere Kostenlose Bücher