Im Netz Der Schwarzen Witwe
der Stoff dieses Kleidungsstücks an ihrer Haut klebte. Dafür schien sie umso besorgter zu sein, ihren Bauchnabel zu verhüllen.
John konnte an nichts anderes denken als an die Übung, die Dr. Hollis „Loslassen der Kontrolle“ nannte. Und an jene, die der gute Doktor „Dampfdruckventil öffnen“ nannte. Und noch an eine besonders faszinierende, die witzigerweise „Seevögel im Flug“ hieß. In diesem Moment war er ziemlich froh darüber, dass seine Shorts nicht nass waren und an seinem Körper klebten.
„Hallo.“ Irgendwie gelang es ihm, freundlich zu klingen – als dächte er nicht gerade daran, wie wundervoll es wäre, die berühmte Strandszene aus „Verdammt in alle Ewigkeit“ mit dieser Frau nachzuspielen, und zwar hier und jetzt. „Wo sind Sie den ganzen Tag gewesen?“
„Haben Sie nach mir gesucht?“ Sie konnte ihre Freude nicht verbergen, ebenso wenig wie das Funkeln in ihren Augen, das die Anziehung zwischen ihnen verriet.
John verdrängte diesen beunruhigenden Gedanken. Sie mochte ihn also. Na und? „Ich kam heute Morgen vorbei“, sagte er.
Die Wellen zogen an ihren Shorts. Sie stieg ganz aus dem Wasser und stand leicht verlegen vor ihm. Wasser tropfte von ihrem Körper in den Sand. Diesmal hatte sie kein Handtuch dabei, um sich abzutrocknen und sich darin einzuhüllen. Offenbar fühlte sie sich deshalb unbehaglich. Trotzdem beugte sie sich hinunter, um Princess zu begrüßen und hinter den Ohren zu kraulen, was diese sich begeistert gefallen ließ.
„Ich war auf dem Festland“, erklärte Mariah und wusch sich die Hände im Meer. „Dort arbeite ich als freiwillige Helferin für die Foundation for Families auf einer Baustelle. Wir haben heute die Fassade gemacht.“
„Foundation for Families?“
Sie nickte und wrang mit einer Hand ihren Pferdeschwanz aus. „Kurz Triple F. Das ist eine Organisation, die Qualitätshäuser für Leute mit niedrigem Einkommen baut. Die Häuser sind erschwinglich, weil die Familien Hypotheken zu einem niedrigen Zinssatz bekommen und weil ehrenamtliche Helfer gemeinsam mit den zukünftigen Hausbesitzern die Häuser bauen.“
John hatte von dieser Organisation schon gehört. „Ich dachte, man müsste Zimmermann, Elektriker oder Dachdecker sein, um dort ehrenamtlich mitzuarbeiten.“
Sie sah ihn skeptisch an. „Ach, und woher wissen Sie, dass ich keinen dieser Berufe ausübe?“
John überspielte seine plötzliche Wachsamkeit mit einem Lachen. Nein, sie stellte ihn weder auf die Probe, noch zweifelte sie an seiner Identität. Ihr war nicht plötzlich klar geworden, dass er alles über ihren Hintergrund aus seinen FBI-Akten wusste. Sie nahm ihn nur ein bisschen auf den Arm. Also revanchierte er sich dafür.
„Na wahrscheinlich, weil ich ein sexistischer Blödmann bin, der glaubt, nur Männer könnten Dachdecker oder Zimmerleute sein. Ich bekenne mich schuldig, Miss Robinson.“
Mariah lächelte. „Da Sie nun gestanden haben, kann ich Ihnen ja anvertrauen, dass ich keine Elektrikerin bin. Allerdings bin ich auf dem besten Weg, professionelle Dachdeckerin zu werden. Bei zehn Häusern habe ich bereits geholfen, das Dach zu decken, seit ich vor zwei Monaten hier angefangen habe. Ich habe keine Höhenangst, deshalb lande ich irgendwie immer auf dem Dach.“
„An wie vielen Tagen in der Woche machen Sie diese Arbeit?“
„An drei bis vier Tagen“, antwortete sie. „Manchmal auch häufiger, wenn eine Blitzschicht ansteht.“
„Eine Blitzschicht?“
„So nennen wir das, wenn wir richtig ranklotzen, um eine Phase des Bauprojekts fertig zu bekommen. Heute haben wir mit vereinten Kräften die Fassade gemacht. Wir haben manchmal schon wochenlang durchgearbeitet, um ein Haus innen und außen komplett fertigzustellen.“ Sie sah ihn an. „Falls Sie Interesse haben, können Sie mich beim nächsten Mal begleiten. Morgen habe ich frei, aber übermorgen arbeite ich wieder.“
„Ja, gern“, sagte er leise. Das Unbehagen war zurückgekehrt – diesmal nicht, weil er ihr etwas vorgaukelte, sondern weil seine Worte viel zu viel Wahrheit enthielten. Denn er würde sie wirklich gern begleiten. Sehr gern sogar.
Doch nur, weil es ein Mittel zum Zweck ist, redete er sich ein. Er brauchte Mariah Robinson lediglich, um an Serena Westford heranzukommen.
Aber als er ihr Lächeln sah, verglich er ihre Augen unwillkürlich mit Whiskey – bernsteinfarben und sanft berauschend.
„Nun, gut. Ich breche früh am Morgen auf – der Van holt mich um sechs ab. Wir
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