Im Netz der Sinnlichkeit
gesprochen haben: Beide sind durch den Sonar ausgeschaltet worden, waren vollkommen hilflos. Das Erlebnis verfolgt sie immer noch.«
Gestaltwandler hielten Mediale für arrogant, doch Lara wusste auch um die Arroganz ihrer eigenen Gattung, vor allem was körperliche Stärke anging.
Die Erkenntnis, dass eine dieser Stärken, das besonders gute Hörvermögen, sich als schmerzhafte Schwäche erweisen konnte, war sicher ein Schock gewesen. »Wie bist du darauf eingegangen?«
»Ich habe ihnen zugehört. Meistens genügt es, einfach mal darüber zu reden.« Sie nahm die Tasse, die Lara ihr hinhielt, und sog den köstlichen Duft des Tees ein. »Dann habe ich ihnen gesagt, dass sie, da sie nun ihre Schwäche kennen, Gegenmaßnahmen ergreifen können.«
Lara setzte sich auch an den Tisch und gab sich ebenfalls dem köstlichen Aroma ihres Tees hin. »Sehr gut. Dadurch gelingt es ihnen, wieder die Kontrolle zu übernehmen.« Das war bei dominanten Wölfen sehr wichtig.
»Ich glaube, es klappt, aber ich habe ihnen versichert, dass sie jederzeit zu mir kommen können, wenn es nötig ist.«
»Was für ein Glück, dass du dich für die Arbeit im Rudel entschieden hast.« Lara mochte die junge Krankenschwester sehr. »Und was Verabredungen angeht … hast du dich mal bei den Raubkatzen umgesehen? Ich will nämlich nicht, dass jemand aus einer anderen Gegend verrückt nach dir wird und dich uns ausspannt.«
Bevor Lucy etwas antworten konnte, öffnete sich die Eingangstür und der Wirbelwind Marlee kam hereingestürzt und warf sich in Laras Arme. »Ich verhungere! Gibt es Kuchen?«
Lachend umarmte Lara das Mädchen. »Ein wenig Obst wird dich bis zum Abendessen über die Runden bringen.«
Keineswegs verlegen nahm sich Marlee einen Apfel und umarmte dann Lucy. »Hi, Lucy. Bleibst du zum Essen? Willst du dir mein Projekt ansehen?«
»Ja, bleib doch«, sagte Lara. »Ich hätte Lust zu kochen, und du könntest mir dabei helfen.«
Es wuchs sich zu einer kleinen Party um sieben aus. Einer von Tobys Freunden durfte bei ihnen essen, und Walker brachte eine Zwölfjährige mit, deren Eltern erst spät von der Arbeit außerhalb des Reviers zurückkommen würden.
Als sie um den Tisch herum saßen, streckte Laras Gefährte die Hand aus und strich ihr liebevoll über die Wange. Die Wölfin rieb sich wohlig von innen an der Haut. »Hallo«, flüsterte sie.
Er hob ihr Kinn und küsste sie zur Freude der Kinder. Als alle etwas auf dem Teller hatten, bemerkte sie, dass Walker Toby und Marlee beobachtete. Marlee kicherte mit dem Mädchen, das Walker mitgebracht hatte, und die Jungen unterhielten sich mit Luca über eine Wendung in einem Film, der gerade rausgekommen war. Alle waren bester Laune, doch in Walkers Blick zeigte sich derselbe Schmerz, den sie auch schon an dem Tag, nachdem sie Gefährten geworden waren, dort gesehen hatte, als Toby Marlee herumgewirbelt hatte. Noch vor der Abkehr vom Medialnet musste etwas passiert sein, von dem sie nichts wusste.
»Walker?« Sie legte die Hand auf seinen Oberschenkel. »Was bedrückt dich?«
Er nahm ihre Hand in seine. »Wenn ich Marlee lachen sehe«, sagte er so leise, dass nur sie es hören konnte, »dann erinnere ich mich manchmal an die Zeit, als sie gar nicht wusste, was es heißt, glücklich zu sein. Sie kannte nur den Schmerz.« Er sah den bis über beide Ohren grinsenden Toby an, und noch immer lag derselbe Schmerz in seiner Stimme. »Und nach Kristines Selbstmord stand es so schlimm um Toby, dass ich Angst hatte, wir würden den Sohn meiner Schwester auch verlieren.«
Es tat ihr weh, Walker so traurig zu sehen. Sie verschränkte ihre Finger mit seinen, »sprach« durch das Band, durch ihre Verbindung zu ihm, hüllte ihn in ihre Liebe ein, in die Freude über ihren Bund, in das Glück, das ihre Wölfin in den Kindern spürte. Der Schatten verschwand aus seinem Blick, aus dem nun tiefe Freude sprach.
Sie würde ihn nicht drängen, ihr noch mehr zu enthüllen, nicht heute Abend. Sie würde ihn lieben und der Traurigkeit mit Zuneigung und Lust begegnen. Wenn er dazu bereit war, würde er ihr schon alles enthüllen – inzwischen verband sie ein so starkes Vertrauen, dass sie nicht mehr fürchtete, das Herz dieses unglaublichen Mannes vielleicht niemals ganz zu kennen.
Vielleicht brauchte er noch mehr Zeit, vielleicht musste sie noch mehr Geduld haben … es lag ja noch ein ganzes Leben vor ihnen.
Um Mitternacht erwachte Walker an Laras Seite. Er konnte sich nicht vorstellen, jemals
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