Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
vorausgesagt hatte. Er fragte sich, warum er überhaupt noch die Nachrichten anschaute, wenn die Wetterfrösche sowiesomeistens falsch lagen. Aber wem machte er etwas vor? Er sah sich die Nachrichten wegen Nancy Moreno an. Die Moderatorin hatte dieses gewisse Etwas, das ihn faszinierte … und das war genau der Grund, warum er sie auserkoren hatte, ihm zu helfen.
Zu behaupten, dass Moreno Fehler hatte, wäre eine Untertreibung. Sie war total kaputt. Es fing schon damit an, dass sie als kleines Mädchen sowohl von ihrem Vater als auch von einem Onkel vergewaltigt worden war. Sie ließ sich davon jedoch nicht zerstören, sondern benutzte diese schlimmen Erfahrungen dazu, stärker zu werden. Ihr Hochschulstudium schloss sie mit Bestnote ab. So wie er sie einschätzte, war Nancy eine Frau, die stets die Beste sein wollte. Außerdem war sie ein Kontroll-Freak. Er hätte große Lust, mit ihr ins Bett zu gehen, aber davor würde er sie erst zu einem eleganten Abendessen ausführen müssen. Bis jetzt hatte er noch nicht entschieden, ob es die Mühe wert war.
Obwohl sie psychisch kaputt war, wirkte Moreno nach außen hin stets makellos. Ihre Frisur saß immer perfekt, bis auf heute Morgen. Mit ein paar Telefonanrufen hatte er mehr bewirkt als der jahrelange sexuelle Missbrauch durch ihren Vater. Nur er brachte es fertig, eine nach außen hin gefestigte Frau wie Moreno völlig aus der Fassung zu bringen.
Er strich sich mit den Fingern über den falschen Kinnbart. Am liebsten würde er nach Hause gehen und sich die Perücke vom Kopf reißen, und den Schnurrbart gleich mit. Es machte ihm keinen Spaß mehr, sich hinter falschen Haaren und unbequemen Masken zu verstecken. Aber da er keine Lust hatte, in einer kalten und feuchten Zelle zu sitzen, fügte er sich in das Unvermeidliche.
Sein Blick blieb am Haus gegenüber haften. Sophie lag tot im Kofferraum. Sie hatte sich als nutzlos erwiesen – wie ein toter Fisch.
Nichts war mehr wie früher.
Er sah auf seine nagelneue Rolex Perpetual Sea-Dweller. Es war Zeit zu gehen. Bei dem Sauwetter konnte er nicht viel sehen. Außerdem musste er die Leiche entsorgen. Er griff zum Beifahrersitz hinüber und nahm seine Nikon. Bevor er losfuhr, wollte er noch ein letztes Bild machen. Er blickte durch den Sucher des Tele-Objektivs,bis er in Brittany Warners Schlafzimmer sehen konnte. Dort brannte noch Licht. Normalerweise machte sie es nie vor elf Uhr aus. Die Silhouette des jungen Mädchens ging am Fenster vorbei. Der Anblick brachte sein Blut in Wallung. Ein paar Sekunden später kam sie zurück. Diesmal blieb sie direkt vor dem Fenster stehen.
Braves Mädchen.
Klick. Klick. Klick.
Die Vorstellung, dass Lizzy Gardners Nichte ihn vielleicht beobachtete, jagte ihm einen wohligen Schauer über den Rücken.
Ja.
Er schloss die Augen und genoss das Gefühl. Vielleicht standen die Dinge ja doch nicht so schlecht.
Donnerstag, 18. Februar 2010, 2:35 Uhr
»Aufhören!«
Jared fuhr hoch und starrte in die Dunkelheit. Formen und Schatten, die ihm fremd waren, zeichneten sich vor seinen Augen ab.
Hatte er etwas gehört?
Das einzige Geräusch kam vom Wind, der um das Haus wehte. Er brauchte ein paar Sekunden, bis ihm einfiel, dass er auf Lizzys Couch schlief. Nach dem Anruf hatte Lizzy keinen großen Appetit mehr gehabt – weder auf Essen noch auf Sex. Er machte ihr deswegen keine Vorwürfe. Sie hatten danach ein paar Stunden damit verbracht, noch einmal gründlich die Akten durchzugehen und sich Notizen zu machen.
Lizzy wollte nicht, dass er mit dem Auto heimfuhr, nachdem er eine Flasche Wein getrunken hatte. Aber sie war auch nicht dazu bereit, ihn in ihr Bett zu lassen. Er hatte kein Problem damit. Er wollte nur bei ihr sein und auf sie aufpassen.
»Nein, bitte nicht!«
Das war auf keinen Fall der Wind. Er sprang auf, rannte durch den Flur und riss Lizzys Schlafzimmertür auf. Sie hatte einen Alptraum. Er trat an ihr Bett und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
»Ich werde Sie nie verlassen«, sagte Lizzy im Schlaf. »Das verspreche ich. Aber bitte tun Sie ihr nichts. Ich mache alles, was Sie von mir verlangen, wenn Sie sie nur in Ruhe lassen.«
Die Verzweiflung in ihrer Stimme tat ihm in der Seele weh. »Lizzy, ich bin’s, Jared. Wach auf.«
Lizzy streckte die Hände nach ihm aus und krallte sich an seinem Unterarm fest. »Sie hat genug gelitten«, schrie sie. »Sie weint nicht mit Absicht. Sie kann nur nicht anders … bitte, ich flehe Sie an, hören Sie auf.«
Jared griff
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