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Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)

Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)

Titel: Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.R. Ragan
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Tee zubereitete.
    Nancy kam schon seit Jahren zweimal im Monat zu Dr. Gates in die Sprechstunde, aber heute blickte sie sich in der Praxis um, als wäre sie zum ersten Mal hier. Wenn sie das Exklusivinterview mit dem Spinnenmann wollte, musste sie die Patientenakte von Lizzy Gardner in die Finger bekommen, und zwar schnell.
    Ein Chefschreibtisch aus schwarz gestrichenem Hartholz mit blasser Politur stand vor einem Panoramafenster mit Blick auf die Innenstadt von Sacramento. Die Blumentöpfe mit Palmen, die ihn flankierten, verdeckten teilweise die Aussicht auf die Stadt. Links davon befand sich ein mit Fachliteratur über Verhaltenstherapie, Psychiatrie und Physiologie vollgestopftes Bücherregal. Rechter Hand stand ein Aktenschrank mit neun Schubladen, in dem die Patientenakten aufbewahrt wurden.
    Nancy überlegte schon, ob sie Dr. Gates ohne Umschweife um Lizzy Gardners Akte bitten sollte. Vielleicht könnte sie sie mit einer hohen Summe Bargeld bestechen. Aber dann fiel ihr ein, dass Dr. Gates einen Banker geheiratet hatte, und wenn man bedachte, was für Schmuck sie trug und wohin sie im Urlaub fuhr, hatte sie es wohl kaum nötig, für Geld ihr berufliches Ansehen aufs Spiel zu setzen.
    Dr. Gates kam aus der Küche und ging mit der Tasse Tee in der Hand auf Nancy zu. »Grüner Tee ohne Zucker, wie immer.«
    Nancy beugte sich vor und nahm den Tee entgegen, den Dr. Gates ihr anbot. Die dunklen Haare der Psychiaterin waren als Pagenkopf geschnitten. Sie trug ein zweireihiges Jackett ohne Kragen und einen dazu passenden knielangen Rock. Nancy beobachtete sie aufmerksam, als sie Notizblock und Stift von ihrem Schreibtisch nahm, sich ihr gegenübersetzte und die Beine übereinanderschlug. »Wie fühlen Sie sich heute?«
    Nancy nippte an ihrem Tee. »Mir ging es schon mal besser.«
    »Bedrückt Sie irgendetwas?«
    »Ich hab in letzter Zeit schlecht geschlafen«, log Nancy. »Ich habe Alpträume.«
    Dr. Gates verzog keine Miene. »Wovon?«
    »Es ging in diesen Alpträumen um Sie, Frau Dr. Gates, und um all die Notizen, die Sie sich bei meinen Besuchen machen.«
    Dr. Gates hörte auf zu schreiben. »Erzählen Sie weiter.«
    »Der Alptraum beginnt jedes Mal damit, dass ein Mann, den ich nur als Schatten wahrnehme, in meinem Haus oder meinem Büro lauert. Er läuft hin und her und hat dabei eine Akte unter dem Arm. Dann macht er sie auf und in diesem Moment sehe ich darin sämtliche Notizen von Ihnen.« Sie griff sich mit einer dramatischen Geste an die Brust. »Ich komme mir dabei vor, als ob jemand vor der ganzen Welt meine Geheimnisse lüftet. Ich fühle mich bloßgestellt und verliere meinen Job. Und dann wache ich auf.« Sie atmete aus. »Es ist jedes Mal dasselbe.«
    Dr. Gates lachte nicht, verzog nicht einmal das Gesicht zu einem spöttischen Grinsen. Sie nahm alles, was ihre Patienten sagten, ernst. Nancys Alptraum-Geständnis bildete da keine Ausnahme.
    »Vielleicht beruhigt es Sie«, sagte Dr. Gates, »wenn ich Ihnen Ihre Akte zeige.«
    Nancy trank einen Schluck Tee und wartete darauf, dass die Psychiaterin fortfuhr.
    »Sie machen sich wahrscheinlich Sorgen wegen Ihrer Beförderung und das löst diese Angstgefühle bei Ihnen aus. Da lassen Sie sich selbst von belanglosen Dingen in Ihrem Alltag stressen. Vielleicht fühlen Sie sich besser, wenn ich Ihnen zeige, dass Ihre Akte bei mir sicher aufgehoben ist.«
    »Wir können es ja mal versuchen«, sagte Nancy und bemühte sich, äußerlich unbeteiligt zu wirken. Sie freute sich darüber, wie einfach ihr Trick bis jetzt funktionierte.
    Dr. Gates legte Notizblock und Stift beiseite, erhob sich und ging zum Aktenschrank. Nancy folgte ihr mit dem Tee in der Hand und sah zu, wie Dr. Gates den Schrank mit einem Schlüssel öffnete, der an ihrem Armband hing. Als sie die Akten durchblätterte, stach Nancy der Name »Lizzy Gardner« ins Auge. Er stand auf einer der dickeren Akten. Sie wartete geduldig, bis Dr. Gates ihre Akte gefunden hatte. Als es soweit war, täuschte sie ein Missgeschick vor und ließ die Teetasse fallen. Sie zerbrach auf dem Hartholzboden. Der Inhalt spritzte über das Parkett und gegen den Schrank. »Oh, das tut mir wirklich leid. Wie dumm von mir!«
    Dr. Gates gab Nancy ihre Akte und eilte in die Küche, um einen Lappen zu holen. Nancy zögerte keinen Augenblick. Sie griff in die Schublade, grapschte sich Lizzys Akte und huschte zur Couch, wo sie das Dokument schleunigst in eine eigens zu diesem Zweck mitgebrachte Ledermappe steckte.
    »Wo ist die

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