Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
Akte?«
Nancy fuhr hastig herum, erstaunt darüber, wie schnell die Psychiaterin wieder zurückgekommen war. Sie hielt ihre eigene Akte hoch. Ihre Kehle fühlte sich trocken an. »Hier hab ich sie. Darf ich sie mit nach Hause nehmen?«
»Nein, tut mir leid. Ich hätte dabei ein ungutes Gefühl. Warum werfen Sie nicht einen Blick hinein, während ich das hier wegwische?«
Nancy legte die Akte auf eines der Kissen auf der Couch und eilte zu Dr. Gates. Sie nahm ihr den Lappen aus der Hand, wischte den Tee vom Aktenschrank und schloss schnell die Schublade, bevor die Psychiaterin den Diebstahl bemerkte.
Als Nancy fertig war und sich erhob, fiel ihr Dr. Gates verwirrter Gesichtsausdruck auf. Die Psychiaterin starrte aus dem Fenster. Etwas dort draußen schien sie zu beunruhigen.
Nancy hämmerte das Herz gegen die Rippen. »Stimmt irgendwas nicht?«
Dr. Gates trat einen Schritt zurück und versteckte sich zur Hälfte hinter der Topfpalme. »Da draußen ist ein Mann … an der Bushaltestelle. Ich habe ihn dort schon mal gesehen, und das nicht nur einmal. Das allein wäre nicht verdächtig, aber er geht jedes Mal weg, bevor der Bus kommt.« Sie schüttelte den Kopf. »Komisch ist das schon.«
Nancy warf die eingesammelten Porzellanscherben in den Abfalleimer und trat näher ans Fenster heran. »Er schaut zu uns rüber.«
Dr. Gates legte die Stirn in Falten. »Das hab ich mir gedacht.«
»Kommt er öfter hierher?«
»Letzten Montag habe ich ihn zum ersten Mal gesehen. Das ist jetzt das dritte Mal, dass er hier auftaucht. Ich rufe die Polizei an. Ich bin erst beruhigt, wenn sie ihn überprüft haben.«
Nancy blieb wie angewurzelt stehen, während Dr. Gates telefonierte.
War der Typ an der Haltestelle womöglich der Spinnenmann?
Wie ein Mörder sah er eigentlich nicht aus. In seinem schicken schwarzen Anzug wirkte er eher wie ein Geschäftsmann. Er hatte dunkle Haare und einen sorgfältig gestutzten Vollbart. Seine Augen verbarg er hinter einer dunklen Pilotensonnenbrille. Er war schmächtig und schätzungsweise knapp einen Meter achtzig groß.
Dr. Gates stellte sich wieder neben Nancy. »Die Frau in der Notrufzentrale hat gesagt, dass gerade ein Streifenwagen in der Gegend unterwegs ist. Er müsste in einer Minute hier sein.« Sie zitterte übertrieben. »Wenn ich mir den Kerl ansehe, bekomme ich eine Gänsehaut. Schauen Sie nur, wie er zu uns herüberstarrt. Hat er auch nur ein einziges Mal weggeschaut?«
Nancy schüttelte den Kopf.
»Wenn wir ihn sehen, dann sieht er uns auch.«
Ein Bus hielt am Straßenrand und nahm ihnen die Sicht. Er hatte getönte Scheiben und Nancy konnte nicht erkennen, ob Fahrgäste ein- oder ausstiegen. Die Praxis von Dr. Gates lag im zweiten Stock. Zwei Blocks weiter konnte Nancy den Streifenwagen sehen, der sich ohne Sirene und Blaulicht näherte. Er traf nur ein paar Sekunden nach Abfahrt des Busses ein und parkte an der Stelle, wo der Mann gestanden hatte.
Jetzt war niemand mehr dort.
Dr. Gates seufzte. »Er ist verschwunden.«
Der Mann hatte kein einziges Mal seinen Blick von ihrem Fenster abgewendet, konnte also den heranfahrenden Streifenwagen nicht gesehen haben. Aber trotzdem hatte er gewusst, dass es Zeit war, in den Bus einzusteigen. Nancy lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter und sie fragte sich, ob sie einen Fehler beging. Sie würde Gardners Patientenakte erst einmal mit nach Hause nehmen und sich das Ganze gründlich durch den Kopf gehen lassen, bevor sie unüberlegt handelte. Ja, das war am besten. Sie musste sich die Sache reiflich überlegen, damit sie nicht etwas tat, das sie später bereuen würde.
Donnerstag, 18. Februar 2010, 14:56 Uhr
Kurz vor drei war Lizzy wieder in ihrem Büro. Sie schloss ihr Auto ab und war überrascht, als sie Jared auf der Bordsteinkante sitzen sah. Er hatte auf sie gewartet.
»Wo bleibst du so lange?«, fragte er.
»Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Mein Vater?«
»Wohl kaum.«
Frustriert über das, was sie im Hotel gesehen hatte, und wütend auf sich selbst, weil sie den Job überhaupt erst angenommen hatte, drückte Lizzy sich an Jared vorbei. Die Absätze ihrer Stiefel klackten auf dem Asphalt, als sie auf ihr Büro zuging. Über zweiStunden hatte sie gegenüber des Hotels in ihrem Auto gesessen und darauf gewartet, dass Richard herauskam.
Lizzy ballte die Hände zu Fäusten und ließ sich die Ereignisse der letzten zwanzig Minuten noch einmal durch den Kopf gehen. Obwohl Richard und Valerie mehrere Stunden
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