Im Netz des Teufels
Schwarze in einem dunklen Kostüm. Die Frau strahlte Autorität aus. Abby kannte diese Körperhaltung und diese Miene, und plötzlich hatte sie noch mehr Angst.
»Ja?«, sagte sie durch die Fliegenschutztür.
»Sind Sie Abigail Roman?«
»Ja.«
Die Frau hielt ihre Dienstmarke hoch. Eine goldene Dienstmarke. NYPD. »Ich bin Detective Desiree Powell vom Morddezernat Queens. Darf ich kurz reinkommen?«
Es kostete Abby ungeheure Kraft und Konzentration, der Frau in die Augen zu sehen und ihren Blick nicht abzuwenden. »Darf ich fragen, um was es geht?«
»Ich habe nur ein paar Routinefragen. Darf ich reinkommen?«
»Ich bin im Augenblick furchtbar beschäftigt.«
Die Frau legte eine Hand auf den Griff der Fliegenschutztür. Abby ließ die Tür los. Die Frau lächelte, öffnete die Tür und betrat das Haus. Ihr prüfender Blick wanderte schnell durch den Hausflur, das Wohnzimmer und dann zur Treppe, die in den ersten Stock führte. »Ich kenne Ihren Ehemann, Michael. Wir haben in ein paar Fällen zusammengearbeitet«, sagte die Frau. »Er ist nicht zufällig hier?«
»Nein. Er ist heute im Gericht.«
Powell schaute auf die Uhr. »Ich glaube, die Verhandlung wurde auf morgen vertagt. Ich habe in seinem Büro angerufen, und mir wurde gesagt, dass er Feierabend gemacht hat. Wissen Sie zufällig, wo er ist?«
»Leider nicht.«
Powell schaute sich die Einrichtung des Wohnzimmers genauer an. »Sie haben ein wunderschönes Haus.«
So ein Blödsinn , dachte Abby. Die Polizistin war doch bestimmt nicht gekommen, um mit ihr über das Haus zu plaudern. Sie musste einen Weg finden, diese Frau loszuwerden. »Danke. Wenn Sie jetzt ...«
»Ist alles in Ordnung?«
Abby strich instinktiv über ihr Gesicht. Sie hatte die Schwellung gekühlt, und sie fiel nicht mehr so stark auf, wie sie befürchtete. »Es ist alles in Ordnung. Mich hat heute Nachmittag ein Tennisball getroffen.«
Powell nickte. Diese Geschichte kaufte sie ihr mit Sicherheit nicht ab. Sie war Polizistin und hatte es oft mit verheirateten Frauen zu tun, die gegen Türen liefen und in der Dusche oder auf Eis ausrutschten. Auch Abby kannte diese Szenarien als Krankenschwester zur Genüge.
»Ich hab noch nie Tennis gespielt. Ich wollte es immer lernen. Spielen Sie schon lange?«
»Seit ein paar Jahren.«
»Sind Ihre Kinder hier?«
»Ja.« Abby zeigte aus dem Fenster. Charlotte und Emily saßen am Gartentisch.
Powell schaute hinaus. »Oh, sind die süß. Michael spricht ständig von ihnen. Wie alt sind die Mädchen?«
»Sie sind gerade vier geworden.«
»Darf ich fragen, wie sie heißen?«
»Charlotte und Emily.«
Powell lächelte. »Wie die Brontë-Schwestern.«
»Wie die Brontë-Schwestern.«
Powell ging weiter. »Sie fragen sich sicher, was ich von Ihnen will?«
»Ja. Ehrlich gesagt wollten wir gerade aufbrechen.«
Powell schaute auf das Gepäck neben der Tür. Zwei lilafarbene Nylonrucksäcke, zwei Einkaufstaschen und die lederne Umhängetasche eines Mannes. »Wollen Sie verreisen?«
»Ja. Wir wollen meine Eltern besuchen.«
»Ach ja? Wo wohnen Ihre Eltern denn?«
Abby ging einen kleinen Schritt auf die Eingangstür zu, als wolle sie die Polizistin hinauskomplimentieren. »Sie wohnen in Westchester County. In der Nähe von Pound Ridge.«
»Ah, das ist eine sehr schöne Gegend. Vor allem in dieser Jahreszeit.« Powell drehte sich um und wandte der Küchentür nun den Rücken zu. Sie zeigte auf die lederne Umhängetasche. »Kommt Michael mit?«
»Wir treffen uns bei meinen Eltern.«
Powell nickte und schaute Abby in die Augen. Sie kaufte ihr nichts von alldem ab. Powell zog ein Notizheft aus der Tasche und klappte es auf. »Okay, ich halte Sie nicht lange auf.« Sie schaute auf eine Seite des Notizheftes. »Kennen Sie eine gewisse Sondra Arsenault?«
Der Name war Abby vertraut, aber im ersten Moment konnte sie ihn nicht einordnen. Da sie seit fünf Jahren mit einem Staatsanwalt zusammenlebte, wusste sie, dass es in einer solchen Situation das Beste war, eine Gedächtnislücke vorzutäuschen. »Ich weiß nicht. Wer soll das sein?«
»Sie ist Sozialarbeiterin«, erklärte Powell ihr. »Sie lebt mit ihrem Mann James in Putnam County.«
»Der Name sagt mir nichts.«
»Sie haben Zwillinge – genau wie Sie.«
Abby wusste, dass die Kommissarin ihr diese Fragen nicht stellen würde, wenn sie die Antworten darauf nicht bereits wüsste. Und jetzt wusste sie auch, um was es ging. »Tut mir leid. Ich kenne sie nicht.«
»Okay. Kennen Sie denn
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