Im Netz des Teufels
Gewissensbisse, keine Genugtuung. Er sah aus wie ein Raubvogel, der sein Revier überwachte. Jetzt begriff Abby, dass Aleks ihre Waffe gefunden und die Patronen herausgenommen hatte, als er das Schlafzimmer durchwühlt hatte.
Abby war wie erstarrt. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihr bewusst wurde, dass sie nackt war. Sie nahm eine Decke aus dem Schrank und schlang sie um ihren Körper. Allmählich realisierte sie, was in den letzten Minuten geschehen war und was beinahe geschehen wäre.
»Wo ... wo sind die Mädchen?«, fragte sie. Ihre Stimme klang leise, niedergeschlagen und verwirrt.
Aleks drehte sich zu ihr um. Es sah fast so aus, als wüsste er im ersten Moment nicht, wer sie war.
»Waschen Sie sich«, sagte er. »In zwanzig Minuten brechen wir auf.«
41. Kapitel
Der Polizist, ein junger Typ von circa zweiundzwanzig Jahren, war nervös. Ein etwas älterer Kollege begleitete ihn. Vielleicht sein Ausbilder, dachte Michael. Als der ältere Polizist sah, dass auf dem Parkplatz des Squires Inn keine unmittelbare Gefahr drohte, schickte er die beiden anderen Streifenwagen weg.
Der junge Streifenpolizist machte Dienst nach Vorschrift. Zuerst fragte er nach dem Ausweis, und dann führte er eine Leibesvisitation durch.
Michael erklärte, wer er war und dass er sich hier aufhalte, um in einem Fall zu ermitteln. Er hoffte, dass der junge Polizist, der aus einem kleinen Ort stammte, nicht wusste, dass Staatsanwälte niemals persönlich Ermittlungen durchführten. Er wusste es nicht.
Der Polizist betrachtete Michaels Kleidung und wunderte sich vermutlich, warum ein Staatsanwalt aus Queens eine braune Golfhose und einen Regenmantel trug, die beide zwei Nummern zu groß waren. Falls er sich wunderte, sagte er jedenfalls nichts. Michael konnte sich aber gut vorstellen, was diesem Polizisten durch den Kopf ging, auch wenn er noch sehr jung war. Irgendetwas stimmte hier nicht. Und wenn es Probleme gab, lösten sich die nicht von allein.
»Und warum haben Sie keinen Ausweis bei sich, Sir?«
»Er ist in meiner Golftasche«, erklärte Michael ihm. »Ich habe gerade den Anruf bekommen, dass einer unserer Zeugen durchdreht, und da bin ich schnell in den Wagen gesprungen.«
Der junge Polizist schaute auf den blauen Ford und dann zurück zu Michael, worauf er seinem Partner einen flüchtigen Blick zuwarf. Dieser zuckte nur mit den Schultern.
Der Polizist erklärte Michael, sie hätten über den Notruf die Information erhalten, dass sich zwei Männer auf dem Parkplatz des Squires Inn Motels prügelten. Michael sagte, er habe nichts gesehen.
Er warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr. Er hatte Kolyas Anruf verpasst.
»Würden Sie bitte kurz hier warten?«, fragte der Polizist. Er zeigte auf das Heck des Fords. Michael folgte der Aufforderung.
»Klar.«
Als Michael sich dem Heck näherte, sah er eine kleine Blutspur auf dem Deckel des Kofferraums. Er ging um den linken Kotflügel herum zum Kofferraum und lehnte sich dagegen.
Während der junge Streifenbeamte über Funk die Daten abglich, wanderte sein Blick zwischen dem Laptop in seinem Streifenwagen und Michael hin und her. Es schien ewig zu dauern. Michael schaute wieder auf die Uhr. Jetzt hatte er die Deadline um fünf Minuten überschritten.
Der Polizist stieg aus.
»Tut mir leid, Mr Roman. Sie wissen ja, wie das ist. Wenn wir einen Notruf bekommen, müssen wir dem nachgehen.«
»Natürlich.«
Der Polizist musterte Michael noch einmal, und dann wanderte sein Blick über den Parkplatz und das Motel. Er begriff noch immer nicht, was sich hier abgespielt haben sollte. Aber er hatte sicherlich schon verrücktere Tage erlebt.
»Schönen Tag noch, Sir.«
Michael fragte sich, wer den Notruf verständigt hatte. Hatte Kolyas Cousine die Auseinandersetzung von ihrem Büro aus gesehen? Hatte sie gesehen, was geschehen war, und Kolya angerufen? War Abby, Charlotte und Emily jetzt etwas zugestoßen?
Michael blickte zum dritten Mal auf die Uhr. Das Motelzimmer konnte er nicht mehr betreten.
Er setzte sich in den Ford und startete den Motor. Unter dem Sitz lagen Omars Pistole und sein Handy. Michael war froh, dass der Vorfall mit der Polizei nicht zu einer Durchsuchung des Wagens geführt hatte. Ohne lange zu zögern, fuhr er vom Parkplatz herunter und fädelte sich in den Verkehr ein.
Er fuhr nach Hause.
42. Kapitel
Aleks hatte nicht die Absicht gehabt, Kolya am Leben zu lassen, doch er hatte auch nicht erwartet, dass es so enden würde. Er hasste es, wenn eine
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