Im Netz des Teufels
zwei Saftgläser. Michael schaute sich aufmerksam um. Am liebsten hätte er geschrien, doch er hielt sich zurück. Er schaute auf die Magnete am Kühlschrank, die Buchstaben und Zahlen, die er und Abby oft benutzten, um den Mädchen neue Wörter beizubringen. Es war eine tägliche Übung, die streng eingehalten wurde. Jeden Tag wählte Abby ein Wort aus, das sie mit den Mädchen übte. Manchmal schauten sie es sich im Internet oder in dem großen Wörterbuch in ihrem Arbeitszimmer an. Abby ließ das Wort immer dort hängen, bis Michael nach Hause kam. Oft warteten die Kinder schon an der Tür auf Michael, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, und zogen ihn dann aufgeregt in die Küche, um ihm das neue Wort zu zeigen.
Heute hatten sie keine neuen Wörter gelernt. Die Buchstaben hingen alle ungeordnet oben an der Tür und ergaben keinen Sinn. Zwei Zahlen waren an den unteren Rand der Kühlschranktür gezogen worden.
Michael schlich ins Wohnzimmer und spähte hinein. Noch ein leerer Raum. Einer der Esszimmerstühle stand genau vor der Schiebetür.
Ein Beobachtungsposten ?, fragte Michael sich.
Er durchquerte die Diele, stieg leise die Treppe hinauf und spähte ins Badezimmer. Der Duschvorhang war geöffnet. Der Raum war leer. Er schaute ins Kinderzimmer. Die Betten waren gemacht, und der Raum war so ordentlich wie immer. Als Michael vorsichtig die Diele durchquerte, hatte er plötzlich den Geschmack warmen Kupfers im Mund. Er schaute ins Schlafzimmer.
Der Raum war voller Blut.
»O mein Gott. Nein! «
Die zerknitterten Bettdecken lagen in der Mitte des Bettes auf einem Haufen. Alles, was auf der Kommode gestanden hatte, lag überall verstreut auf dem Boden herum, und auch der Fernseher war heruntergefallen. An den Wänden und der Decke klebte Blut. Das Zimmer, in dem er schlief und in dem er und seine Frau sich liebten, sah aus wie ein Schlachtfeld. Michael lehnte sich an die Wand. Er sah eine dicke Blutspur, die vom Bett zum Schrank führte. Mit zitternder Hand zog er die Waffe, und als er vorsichtig die Schranktür öffnete, entdeckte er Kolya.
Er brauchte nicht zu überprüfen, ob Kolya noch lebte. Sein violettblau verfärbtes Gesicht war aufgedunsen und von getrocknetem Blut bedeckt. Im Nacken klaffte eine tiefe Wunde.
Michael lief die Treppe im Eilschritt hinunter. Dem Wahnsinn nahe, durchquerte er das Wohnzimmer und wollte gerade in die Küche laufen, als er fast über etwas gestolpert wäre. Michael blieb stehen und senkte den Blick. Es war Desiree Powell.
Er taumelte zur Spüle in der Küche und übergab sich.
Aleks hatte Abby und Emily in seiner Gewalt. Sie waren verschwunden, und sein Haus war mit Leichen übersät.
Michael schaute aus dem Fenster und erblickte unten am Hügel einen Wagen, der in die Zufahrtsstraße einbog. Er konnte ihn durch die Bäume nur undeutlich erkennen, aber es war unverkennbar das dunkle Blau eines Streifenwagens.
Michael wusste, dass er in einer verzwickten Lage war. Die Chance, dass die Polizei ihm glauben würde, war mehr als gering. Wenn er in dieser Situation auf der anderen Seite des Rechts gestanden hätte, wäre es ihm auch schwergefallen zu glauben, dass er nichts mit diesen Verbrechen zu tun hatte. Selbst wenn die Polizei ihm glauben würde, würde sie ihn auf der Stelle verhaften. Anschließend würde die Polizei – ganz zu schweigen vom FBI und dem Sheriff von Crane County – sofort alle Hebel in Bewegung setzen, um Abby, Emily und den Mann, der seine Familie terrorisierte, zu finden.
Und wer konnte schon sagen, was passierte, wenn die Polizei Aleksander Savisaar fand?
Nein. Er würde erst zur Polizei gehen, wenn Abby und Charlotte und Emily bei ihm waren. Seine Familie musste sich in demselben Raum aufhalten wie er. Im Augenblick hatte Michael den Glauben an die Welt verloren.
Er spähte aus dem Fenster. Marco Fontova stieg gerade aus. Es war gut, dass er alleine kam und nicht die ganze Kavallerie an diesen Ort beordert hatte. Das konnte sich allerdings schnell ändern.
Michael lief zum Hintereingang und ließ den Blick über das Grundstück gleiten. Keine Polizisten. Als er das Haus verließ, hörte er die Türklingel. Der Revolver in seinem Hosenbund war schwer wie Blei, und er hatte im Geiste die schlimmsten Horrorszenarien vor Augen.
Von außen konnte er die Schiebetür nicht verschließen. Daher blieb ihm nichts anderes übrig, als sie offen zu lassen. Er warf noch schnell einen Blick ins Haus. Von der Veranda aus konnte Michael Desiree Powells
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