Im Netz des Teufels
fürchte, die Batterie ist leer. Ich musste erst vor ein paar Minuten kräftig orgeln. Der Motor lässt sich nicht mehr starten. Ich muss schieben.«
Der Polizist schüttelte den Kopf und spähte zu seinem Kollegen hinüber, der hinter der Unfallstelle stand und den Verkehr regelte. Als er sich wieder umdrehte, hatte sich jemand zu ihnen gesellt.
Es war Aleks. Er stand genau neben ihnen.
»Brauchen Sie Hilfe?«, fragte er.
Der Polizist drehte sich um und musterte den großen Mann von oben bis unten. Wenn jemand mitten auf der Straße aus dem Wagen stieg, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, sahen Polizisten rot. Jetzt standen zwei Fahrer mitten auf der Straße. Der Polizist schaute über Aleks’ Schulter auf die Frau und das kleine Mädchen in dem fahrerlosen SUV. »Nein«, sagte der Polizist. »Wir haben alles unter Kontrolle, Sir.«
Als Aleks jetzt neben ihm stand, sah Michael, dass er etwa in seinem Alter war. Er hatte hellblaue Augen und eine Narbe auf der linken Wange. Sie standen sich gegenüber und musterten einander. Zwischen ihnen stand der Polizist. Der bewaffnete Polizist.
Wird Aleks diese Gelegenheit nutzen ?, fragte Michael sich. Er umklammerte fest Charlottes Hand und trat einen Schritt zurück.
»Es macht mir wirklich nichts aus«, sagte Aleks. Als er einen Schritt vortrat, wichen Michael und Charlotte noch einen Schritt zurück und stellten sich hinter den Polizisten.
»Sir, setzen Sie sich bitte wieder in Ihren Wagen«, befahl der Polizist. »Wir kommen schon klar.«
Michael und Charlotte näherten sich langsam der Bordsteinkante und dem Bürgersteig. Aleks wich nicht von der Stelle. Er senkte den rechten Arm und berührte mit dem Zeigefinger den Saum seines Mantels. Sekunden wurden zur Ewigkeit. Der Polizist versteifte sich und geriet in Erregung. Er drehte sich zu Aleks um. »Sir, ich fordere Sie zum letzten Mal auf, sich in Ihren Wagen zu setzen.«
Aleks warf die Hände in die Luft, als wollte er sagen: Tut mir leid. Ich wollte nur helfen. Bei dieser Bewegung öffnete sich sein Mantel, und Michael und der Polizist sahen das lange Messer an Aleks’ Hüfte.
Der Polizist legte eine Hand auf seine Waffe. »Sir, drehen Sie sich bitte um, und legen Sie die Hände auf den Wagen. Sofort!«
Aleks’ Blick wanderte von der Waffe zu Michael und zurück zu dem Polizisten. Er trat einen Schritt zurück. Der Polizist sprach in das Mikrofon an seiner Schulter. Es vergingen ein paar bange Augenblicke, ehe er eine Antwort erhielt. Michael kannte alle Codes. Es war Verstärkung im Anmarsch.
In diesem Augenblick traten Michael und Charlotte auf den Bürgersteig. Michael spähte zu dem SUV hinüber und sah, dass Emily die Hände hob, ihren Pullover am Hals zusammenzog und zitterte, als würde sie frieren. Es war ein Scherz zwischen Michael und seiner Tochter, über den sie immer lachten.
Als Michael klein war, stand er oft eine Ewigkeit vor dem geöffneten Kühlschrank und konnte sich nicht entscheiden, was er herausnehmen sollte. Seine Mutter, die stets bemüht war, ein paar Cent Stromkosten zu sparen, sagte immer zu ihm: »Soll ich dir einen Pullover holen?«
Michael und Emily, die sich in dieser Beziehung genauso verhielt wie Michael als Kind, setzten diese Tradition fort.
Und warum tut sie es jetzt? , fragte Michael sich.
Bevor er darüber nachdenken konnte, brach auf der Straße das Chaos aus. Es geschah alles gleichzeitig. Eine Frau auf dem Bürgersteig schrie, als der Polizist das Holster öffnete. Ehe der Polizist die Waffe ziehen konnte, hatte Aleks das Messer schon in der Hand. Blitzschnell stach er zu und schlitzte dem Polizisten mit der langen Klinge die rechte Seite des Halses auf. Eine Blutfontäne spritzte in den blauen Himmel. Die Augen vor Erstaunen und Entsetzen weit aufgerissen, taumelte der Polizist rückwärts und prallte gegen den Wagen. Aleks fügte ihm einen zweiten Schnitt zu, diesmal von einer Schulter zur anderen. Der Polizist rutschte auf die Erde. Der Wagen war blutverschmiert.
Michael hatte das Gefühl, alles würde sich in Zeitlupe abspielen. Er hörte eine zweite Frau auf der anderen Straßenseite schreien. In der Ferne hörte er lautes Hupen. Ein Mann, der oben aus einem Fenster schaute, schrie: »Eh, was ist da los?«
Der Polizist, der jetzt den Tatort erreichte, brauchte offenbar einen Augenblick, um zu begreifen, was er sah. Er wollte seine Waffe ziehen, doch es war zu spät. Aleks wirbelte herum und versetzte dem Mann einen Tritt aufs Kinn, wodurch der junge
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