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Im Netz des Teufels

Im Netz des Teufels

Titel: Im Netz des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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kurz über Handy, und dreißig Sekunden später hielt ein Wagen vor dem Haus an, und zwei Männer stiegen aus. Sie liefen auf den Garten hinter dem Haus zu. Solomon wandte sich wieder Michael zu. Er griff in die Hosentasche und reichte Michael einen Schlüssel. »Du kannst diesen Wagen nehmen. Es ist ein silberner Honda. Er steht drei Häuser weiter.«
    Michael nahm den Autoschlüssel, stand auf und zog den Regenmantel aus, der ihm zwei Nummern zu groß war. »Ich könnte auch andere Kleidung gebrauchen.«
    Solomon zeigte auf eine Tür. Michael stand auf und ging auf das andere Zimmer zu. Dort waren vom Boden bis zur Decke Hunderte ungeöffneter Kartons gestapelt: Unterhaltungselektronik, kleine elektrische Geräte, teure Spirituosen. Michael entdeckte auch eine Kiste mit Guess-Jeans und wühlte in dem Karton, bis er seine Größe fand. Ein Dutzend Kartons waren mit Rocawear-Kapuzenpullovern gefüllt. Michael fand einen in seiner Größe und zog ihn an. In einer Ecke des Raumes lief ein Flachbildfernseher mit leisem Ton. Kanal 7 brachte gerade Nachrichten.
    Michael stand schon an der Tür, als er die Nachricht hörte. Es war eine topaktuelle Meldung. Er verlor den Mut. Unter dem Sprecher lief eine Unterzeile:

    STAATSANWALT AUS QUEENS WEGEN MORDES GESUCHT

    Auf dem Bildschirm wurde sein »offizielles Foto« gezeigt, das im Büro aufgenommen und auf der Webseite der Staatsanwaltschaft veröffentlicht worden war. Daneben war eine Live-Übertragung von seinem Haus zu sehen. Zwei Streifenwagen aus Eden Falls standen mit eingeschaltetem Blaulicht davor.
    Michael verließ den Raum und setzte sich zu Charlotte an den Tisch. Er schaute auf das Blatt, das sie bemalt hatte. Sie hatte die Zahlen 0 bis 9 geschrieben. Sie standen in sauberen Zeilen nebeneinander. Michael brach beinahe zusammen, als er die sorgfältige Arbeit seiner Tochter sah. Doch ihm fiel noch etwas anderes auf. Charlotte hatte zwei verschiedene Farben benutzt, um die Zahlen zu schreiben. In allen vier Zahlenreihen waren alle außer zwei Zahlen mit einem schwarzen Stift geschrieben. Die beiden einzigen Zahlen, die sie mit einem roten Stift geschrieben hatte, waren die 6 und die 4.
    »Das hast du sehr gut gemacht«, lobte Michael sie. Er drehte Charlottes Stuhl um, sodass sie sich gegenübersaßen. »Ich muss kurz weg, mein Schatz. Onu Solomon passt auf dich auf.«
    Obwohl Charlotte Solomon noch nie gesehen hatte, waren ihr das estnische Wort für Onkel, das Michael benutzt hatte, und die Zuneigung, die darin mitschwang, bekannt.
    »Ist das okay?«, fragte er.
    »Ja, das ist okay.«
    Michael drückte seine Tochter an sich. »Mein großes Mädchen.« Er lehnte sich zurück und schaute ihr in die Augen. »Ich hole Mama und Em, und dann gehen wir alle schön essen. Es wird nicht lange dauern. Okay?«
    Charlotte nickte. Dann nahm sie das Blatt mit den Zahlen in die Hand und gab es Michael. Michael schaute ihr wieder in die Augen. Sie schien mit den Gedanken woanders zu sein, als wäre sie in einer Art Trancezustand. Das hatte er schon häufiger gesehen, meistens wenn Charlotte und Emily getrennt waren.
    »Was ist, mein Schatz?«
    Charlotte erwiderte nichts. Stattdessen begann sie, ein Lied zu summen. Es hörte sich an wie eine klassische Melodie, aber Michael erkannte sie nicht.
    »Charlotte«, bat Michael leise. »Sag es deinem Daddy.«
    Seine Tochter starrte noch immer in die Ferne, eine Leere, die Michael nicht sehen konnte. Dann verstummte sie.
    »Anna ist traurig«, sagte sie.
    Anna , dachte Michael. Die Erinnerung an das Märchen, das ihm in seiner Kindheit Albträume bereitet hatte, kehrte zurück. Das Mädchen in der Geschichte.
    Michael starrte auf das Blatt mit den Zahlen, das er in der Hand hielt. Genau die beiden Zahlen, die zu Hause am Kühlschrank hingen, waren hervorgehoben. Es waren vertraute Zahlen.
    Das hatte Emily gemeint, als sie so getan hatte, als würde sie frieren. Sie wollte, dass er an die Kühlschranktür schaute. Sie versuchte, ihm etwas mitzuteilen, und jetzt wusste Michael auch, was es war.

48. Kapitel

    Mit dem Dolch in der Hand durchquerte er das Bauernhaus. Er hatte einem toten Tschetschenen den Dolch abgenommen, einem jungen Soldaten, der kaum älter als achtzehn Jahre war. Der Gestank von verwesendem Fleisch stieg ihm in die Nase und weckte Erinnerungen.
    Das Haus bestand aus vielen Räumen, und in jedem war das Licht anders.
    In den letzten Jahren hatte er immer wieder die Zeit verlassen, einen Ort, der losgelöst von der

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