Im Netz des Teufels
Hunderte von Stadtteilen, Zehntausende von Straßen und Hunderttausende von Häusern, die es zu durchsuchen galt. Ganz zu schweigen von der Welt unterhalb der Stadt – U-Bahnen, Kellergeschosse, Tunnel, Katakomben. Also traf sie eine Entscheidung, für die sie allein die Verantwortung trug. Irgendwo musste sie mit ihrem Team beginnen.
Darum verdiente sie das große Geld, gerade genug, um die U-Bahn bezahlen und sich nachgemachte Jimmy-Choo-Schuhe kaufen zu können.
Sie parkte Ecke Steinway Street und Einundzwanzigste Avenue. Ihr Blick wanderte über die lange Häuserzeile aus roten Ziegelsteinen und die kleinen Geschäfte dazwischen, die alle auf bunten Schildern ihre Waren und Dienstleistungen anpriesen. Und in jedem spielten sich Dramen ab, dachte sie, Komödien und Tragödien, die das Leben veränderten, ohne dass die Außenwelt etwas davon erfuhr oder sie bewertete. Bis sich unerwartet ein Drama ereignete und sie die Polizei riefen.
War das Theater, in dem sich Michael Romans Tragödie abspielte, in einem dieser Gebäude? Oder war der Vorhang schon gefallen?
Powell rutschte auf dem Sitz unruhig hin und her. Die Schmerzen im Brustkorb wurden immer schlimmer. Sie hatte bereits sechs Schmerztabletten geschluckt. Wahrscheinlich würde sie den Tag nicht überstehen, ohne ein stärkeres Schmerzmittel zu nehmen.
Als sie in den Seitenspiegel schaute, sah sie, dass Fontova vollkommen außer Atem auf den Wagen zulief. Obwohl es ihr höllische Schmerzen verursachte, öffnete Powell die Tür und stieg vorsichtig aus.
»Haben Sie das von den beiden Polizisten auf der Roosevelt Avenue gehört?«, fragte Fontova.
Vor zwanzig Minuten hatte ein Polizist über Polizeifunk Unterstützung angefordert. Powell hatte keine Einzelheiten mitbekommen. »Was ist mit ihnen?«
Fontova beugte sich vor und rang nach Atem. Als er sich ein wenig erholt hatte, fuhr er fort. »Streifenbeamten haben den Verkehr auf der Achtundneunzigsten Straße geregelt, nachdem sich ein Unfall ereignet hatte. Der Motor eines Pkws soff ab, und als sie ihn anschieben wollten, sprang ein Typ aus dem Wagen hinter dem Auto, das stehen geblieben war. Er zog ein Messer und stach zwei Beamten nieder.«
»Mein Gott! Wie schlimm ist es?«
»Sie sind beide auf dem Weg ins Krankenhaus. Einer der beiden gab einen Schuss ab, aber der ging daneben.«
»Haben sie den Messerstecher?«
Fontova schüttelte den Kopf. »Abgehauen. Nach dem Wagen und dem Täter wird gefahndet. Ein Weißer, um die dreißig, groß. Er fuhr einen schwarzen H2.«
»Dürfte nicht so schwierig sein, den zu finden.«
»Es kommt noch besser.«
»Ist das nicht immer so?«
Fontova griff in die Innentasche seines Jacketts und zog das Phantombild des Mannes heraus, der in das Haus der Arsenaults eingebrochen war.
»Sie wollen mich wohl verarschen«, sagte Powell.
»Nein. Und zwei Zeugen wollen eine Frau und ein kleines Mädchen in dem H2 des Messerstechers gesehen haben. Und jetzt kommt das Beste.«
Powell lauschte aufmerksam.
»Der abgesoffene Wagen war ein blauer Ford Contour.«
Vor Powells Augen begann sich alles zu drehen. »Nach dem wir bereits suchen? Der Wagen, in dem Michael Roman von dem Motel weggefahren ist?«
»Ja. Andere Zeugen haben ausgesagt, dass sie einen anderen Mann mit einem anderen kleinen Mädchen vom Tatort haben wegrennen sehen.«
»Haben wir eine Beschreibung des Mannes vorliegen?«
»Keine gute.«
»Könnte Roman gewesen sein, nicht wahr?«
»Das glaube ich auch.«
»Was ist mit dem Wagen passiert?«
»Das 114. Revier hat ihn. Er steht noch am Tatort.«
Powell schaute die Straße hinunter in Richtung Ditmars Boulevard und dann zurück zu ihrem Partner.
»Wo?«
Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter. »Zwei Häuserblocks entfernt. Sie haben auch den H2 in einer Gasse hinter dem Lefferts Boulevard gefunden.«
»Das scheint heute der Mittelpunkt der Welt zu sein.«
Fontova nickte.
Powell schloss kurz die Augen und versuchte, die einzelnen Punkte miteinander zu verbinden. Nach einigen Minuten klappte sie ihr Handy auf und startete den Großeinsatz. Sie würden das gesamte Gebiet absperren.
In diesem Teil von Queens in der Nähe des Astoria Parks standen Reihenhäuser und kleine Geschäfte. Es gab hier einen hohen Anteil an griechischen Einwanderern, aber im Laufe der Jahre waren auch Italiener, Polen und andere Osteuropäer in dieses Viertel gezogen.
Als Powell und Fontova hier anhielten, standen bereits ein halbes Dutzend Streifenwagen in Position,
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