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Im Netz des Teufels

Im Netz des Teufels

Titel: Im Netz des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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wie diese Menschen im Tode gesehen wurden. Vielleicht war ein gewaltsamer Tod schon an sich eine letzte Demütigung, die das Opfer nicht rächen konnte. Michael hatte das immer als Teil seiner Arbeit als Staatsanwalt angesehen. Nicht unbedingt Rache zu üben – obwohl jeder, der auf der Seite des Staates stand und leugnete, dass Rache auch Teil seiner Motivation war, log –, sondern eher in einem Gerichtssaal aufzustehen und ein wenig Würde wiederherzustellen für diejenigen, die sich nicht erheben konnten.
    Eine so brutale Demütigung, wie sie Viktor Harkov angetan worden war, hatte Michael noch nie zuvor gesehen.
    Auf dem Schreibtisch stand ein altes avocadogrünes Telefon aus den Siebzigern mit Nikotinflecken. Unter dem Telefon ragten zwei lange Kabel hervor. Eines schlängelte sich über den Schreibtisch und war mit Harkovs großem Zeh verbunden. Das andere Kabel, an dessen Ende eine Krokodilklemme hing, lag auf Harkovs linkem Bein. Die Krokodilklemme war geschwärzt.
    Aber das war nicht das Schlimmste. Der Grund, warum der Schreibtisch voller dunklem, getrocknetem Blut war, war ein anderer. Dem, der den alten Mann gefoltert und ermordet hatte, hatte der Mord nicht ausgereicht.
    Er hatte dem Mann beide Hände abgehackt.
    Michael schaute von dem verstümmelten Leichnam auf und ließ seinen Blick über den Tatort schweifen. Zuerst wusste er selbst nicht genau, warum. Vielleicht, um sich eine Verschnaufpause von diesem Entsetzen zu gönnen. Vielleicht, um eine Rechtfertigung zu suchen, warum dieser Mann in seinem Büro so übel zugerichtet worden war. Plötzlich wurde ihm bewusst, was ihn dazu motivierte. Er suchte nach etwas, das ihm verriet, in welchem Maße er sich Sorgen machen musste. Im ersten Augenblick beschämte es ihn zutiefst, als er begriff, dass er die grausame Tat, die Viktor Harkov zugefügt worden war, ausblendete und nur an sich dachte. Sein Blick wanderte durch den Raum und blieb auf Desiree Powell haften. Michaels Herzschlag setzte aus.
    Powell beobachtete ihn .

    Sie standen in dem kleinen Vorraum. Michael schaute auf den Aktenschrank. Er bestand aus Stahl und hatte fünf Schubladen. Die unterste Schublade war ein Stück weit geöffnet. Ein Kriminaltechniker verteilte mit einem Pinsel Puder auf dem Aktenschrank, um die Fingerabdrücke zu sichern.
    »Haben Sie den Schrank so vorgefunden?«, fragte Michael. »Es war nur eine Schublade geöffnet?«
    Tommy nickte.
    Michael schaute unter den Schreibtisch. Dort stand ein alter Computer von Dell, wahrscheinlich ein Pentium II aus den Neunzigern. Auch er war mit dem schwarzen Puder bedeckt, um Fingerabdrücke zu sichern. Die Kriminaltechniker würden das ganze Computersystem mit ins Labor nehmen, um weitere Untersuchungen durchzuführen und die Daten auf der Festplatte zu sichten. Doch bei einem so grausamen Mord wie diesem wurden die Fingerabdrücke sofort vor Ort genommen, um sie so schnell wie möglich ins System eingeben zu können. Die alte Weisheit, dass die ersten achtundvierzig Stunden einer Mordermittlung die entscheidenden waren, war nicht nur eine Weisheit, sondern eine Tatsache.

    Wenn Michael zum Schauplatz eines Mordes fuhr, hielt er sich immer an der Seitenlinie und verfolgte voller Vertrauen und Respekt die Arbeit der Kriminalbeamten. Er beobachtete, wie sie sich vorsichtig dem Tatort näherten und auf alle Aspekte der Spurensicherung achteten – Fingerabdrücke, Haare und Fasern, Blutspuren, Dokumente. Nie zuvor hatte er den Wunsch verspürt, sich einzumischen und zu helfen. Jeder hatte seinen Job, und die Kriminaltechniker in Queens County gehörten zu den besten der Stadt. Doch als er jetzt zusah, wie die Spurensicherung im Schneckentempo mit der Arbeit begann, fühlte er sich hilflos, und seine Hoffnung schwand. Am liebsten hätte er die Aktenschränke durchwühlt, um zu sehen, welche Akten fehlten. Er hätte sich gerne die Disketten und CDs in Viktor Harkovs Schreibtisch angesehen und jede Erwähnung der Namen von Michael und Abby Roman gelöscht. Am liebsten hätte er mitten in dieses verstaubte, hässliche Büro ein Streichholz geworfen, damit alle wichtigen Unterlagen in der Kanzlei vernichtet wurden. All das hätte er gerne getan. Falls seine Beziehung zu Viktor Harkov nämlich bekannt werden würde, bestand tatsächlich die Möglichkeit, dass ihnen Charlotte und Emily weggenommen wurden. Und das wäre das Ende seines Lebens.
    Im Augenblick konnte er nichts weiter tun, als an der Seitenlinie abzuwarten.
    Und alles zu

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