Im Netz des Teufels
zerbrochenes Glas und keine frischen Farbpartikel vom Fensterrahmen, was auf einen Einbruch hätte hinweisen können.
Warum stand das Fenster dann weit offen? Vor dem Fenster hing kein Fliegengitter, und gleich dahinter war eine Feuertreppe. Jeder konnte problemlos hier einbrechen. In dieser Wohnung waren keine Wertgegenstände zu finden, aber trotzdem. In Queens vergaß niemand, die Fenster zu schließen.
War jemand in der Wohnung gewesen und durchs Fenster verschwunden?
Warum war der Netzstecker des Computers gezogen?
Powell kehrte zu dem Schreibtisch im Wohnzimmer zurück. Sie legte eine Hand auf den Monitor und stellte fest, dass er noch warm war. Das bedeutete, dass ihn eben erst jemand ausgeschaltet hatte. Powell schaltete die Geräte ein und wartete darauf, dass der Computer hochfuhr. Während des Prozesses wurde der Nutzer informiert, dass der Rechner nicht vorschriftsmäßig heruntergefahren worden war. Falls Joseph Harkov panische Angst vor Feuer hatte oder meinte, ein paar Pennies Stromkosten sparen zu können, warum fuhr er den Computer dann nicht richtig herunter?, fragte Powell sich.
Fontova kehrte zurück, streifte Latexhandschuhe über und begann ohne große Begeisterung, sich in Harkovs Zimmer umzusehen. »Erinnern Sie mich daran, niemals Jura zu studieren«, sagte er. »Das ist echt eine verlauste Scheißbude.«
Fontova rollte mit den Augen, zog eine dünne Rolle Geldscheine aus der Hosentasche und reichte Powell einen der Scheine. Sie nahm ihn wortlos entgegen. Die beiden hatten eine Wette abgeschlossen, dass jeder, der während der Fastenzeit ein Schimpfwort benutzte oder fluchte, einen Dollar zahlen musste. Nach ungefähr einem Monat stand es etwa unentschieden.
»Dieser Typ war ein Anwalt der kleinen Leute«, sagte Powell. »Und vermutlich kein guter. Es ist fast unmöglich, so wenig Geld zu verdienen.«
Knurrend öffnete Fontova Schubladen und Schränke, hob Papiere hoch und leerte Hosen- und Jackentaschen. Er hatte es ebenso eilig wie Powell, diesen tristen Ort zu verlassen.
Sie würden Harkovs alten Computer und alle Disketten, Dokumente und Papiere mitnehmen. Der Mord sah ganz nach einem Racheakt aus. Der Mörder musste einen tief sitzenden Hass angestaut haben, und so etwas passierte nicht über Nacht. Es musste hier irgendwo einen Hinweis geben. Und den würden sie finden.
25. Kapitel
Irgendetwas stimmte hier nicht. Die beiden grünen Lichter auf der rechten Seite leuchteten nicht. Abby gab den dreistelligen Panikcode dennoch ein. Zwei Mal. Es passierte nichts. Sie schlug mit der Faust auf die Tastatur. Das Geräusch schien durch das ganze Haus zu hallen.
Nichts. Keine blinkenden Lichter. Keine Reaktion.
»Ich bin enttäuscht«, hörte sie eine Stimme hinter sich sagen. Abby wirbelte herum. Aleks stand keine zwei Meter hinter ihr. Sie hatte nicht gehört, dass er die Treppe heruntergestiegen war.
Aleks lief auf sie zu. Er öffnete seine Schultertasche und zog einen Strick und Klebeband heraus.
»Unglücklicherweise«, fuhr Aleks fort, »laufen viele private Alarmanlagen in Amerika über die Telefonleitungen. Wenn die Telefonleitung durch einen starken Sturm oder aus einem anderen Grund unterbrochen ist, ist auch die Verbindung zum Sicherheitsunternehmen gestört.« Er hielt eine Schere hoch. Offenbar hatte er die Telefonleitung durchtrennt, ehe sie das Haus betreten hatten. »Ich habe gesagt, dass Ihnen und Ihrer Familie nichts passiert, wenn Sie genau das tun, was ich sage. Und ich wiederhole mich nur ungern.«
Blitzschnell durchquerte er die Diele und hob Abby mit einer Leichtigkeit in die Luft, als würde sie nichts wiegen. Er trug sie durch die Diele, die Treppe hinunter in den Keller und setzte sie auf einen alten Klappstuhl aus Metall. Dieser Mann besaß furchterregende Kräfte.
»Nein«, sagte Abby, ohne sich zu wehren. »Das ist nicht nötig. Es tut mir leid.«
Im Handumdrehen hatte Aleks sie mit Armen und Beinen an den Stuhl gefesselt.
Abby wehrte sich nicht. Sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
Es gelang ihr nicht.
Aleks beobachtete die Mädchen durch das Kellerfenster. Seine Miene war undurchdringlich, doch als Abby in seine hellblauen Augen sah, während er Charlotte und Abby auf der Schaukel beobachtete, erkannte sie die Sehnsucht darin.
Der andere Mann – sein Freund und Komplize – war gegangen. Mit den Mädchen schien alles in Ordnung zu sein, doch sie warfen immer wieder einen Blick aufs Haus. Es waren intelligente, aufgeweckte Kinder, die
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