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Im Netz des Teufels

Im Netz des Teufels

Titel: Im Netz des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Küchentisch stand. Auf dem Tisch lag ein altes ledergebundenes Buch. Die Lehmwände waren durchlöchert, und der Boden war schmutzig.
    Es stand außer Frage, dass die Frau das Feuergefecht, die Granaten, die zerfetzten Körper und das viele Blut gesehen hatte. Sie hatte alles gesehen. Als es vorüber war, hatte sie keine Angst vor den tschetschenischen Rebellen oder den russischen Soldaten. Sie hatte keine Angst vor dem Krieg oder davor zu sterben. Sie war schon vielen Teufeln begegnet.
    Doch vor diesem Mann hatte sie Angst.
    Aleks stellte seine Waffe ab, und als er auf sie zuging, streckte er die Arme zur Seite. Er starb vor Hunger und wollte sich an den Tisch setzen. Als Aleks sich der Frau näherte, riss sie vor Schreck die Augen auf, doch er hatte nicht vor, ihr etwas anzutun.
    »Du«, sagte sie, und ihre Hände begannen zu zittern. »Du!«
    Aleks ging weiter. Als er den Duft des frischen Brotes roch, verkrampfte sich sein Magen.
    »Sie kennen mich?«, fragte er sie in holprigem Tschetschenisch.
    Die Frau nickte. Sie zeigte auf das abgegriffene Buch auf dem Tisch. Neben dem Buch lagen ein Laib schwarzes Brot und ein scharfes Tranchiermesser.
    »Koschtschei« , sagte sie mit zitternder Stimme. »Koschtschei Bessmertny!«
    Aleks kannte diese Wörter nicht. Er bat die Alte, sie zu wiederholen. Sie tat es, worauf sie sich drei Mal bekreuzigte.
    Dann nahm sie blitzschnell das rasiermesserscharfe Messer vom Tisch, führte es an ihre Kehle und schnitt sich die Halsschlagader durch. Eine Blutfontäne schoss in die Höhe. Ihr Körper sackte auf den kalten Boden und zitterte im Todeskampf. Aleks schaute auf den Tisch. Der Laib Brot war von rotem Blut bespritzt.
    Aleks fiel über das von Blut durchtränkte Brot her und verschlang es gierig. Der Geschmack des Blutes der alten Frau erzeugte mit dem der Hefe und des Mehls eine berauschende Mischung, die seine Übelkeit erregte und ihn zugleich aufheiterte.
    Es war nicht das letzte Mal, dass er diesen Geschmack kostete.

    In dem trüben Licht las er in dem Buch mit den Volksmärchen. Er las die Geschichte von Koschtschei, dem Unsterblichen. In dem Buch standen viele Geschichten, doch die des unsterblichen Koschtschei, eines Mannes, der nicht sterben konnte, weil seine Seele außerhalb seines Körpers aufbewahrt wurde, und den Schwestern des Prinzen Ivan – Anna, Marya und Olga – berührte ihn am stärksten. Er weinte.

    Nach seiner Entlassung kehrte Aleks nach Estland zurück und nahm alle Gelegenheitsjobs an, die sich ihm boten. Er arbeitete als Zimmermann und Klempner in fünfzig Jahre alten, halb verfallenen russischen Häusern. Er arbeitete in den Schlachthöfen im Süden und in den Bergwerken in Zentralestland. Er machte alles, um über die Runden zu kommen. Dabei wusste er immer, dass er zu etwas anderem, etwas Höherem bestimmt war.
    Aleks freundete sich mit dem Bürgermeister der Stadt an, einem Mann, dem fast jedes Geschäft im Umkreis von fünfzig Kilometern gehörte.
    Dieser Mann nahm ihn mit, als er einen alten Russen seines Reichtums beraubte, den dieser im Hinterland von Estland angehäuft hatte. Aleks war niemandem gegenüber loyal und glaubte an keinen Gott. Er stellte keine Fragen und spürte, dass die Gewalt noch immer tief in ihm verwurzelt war. Es war ganz einfach.
    In den nächsten Jahren gab es vom Finnischen Meerbusen bis zur lettischen Grenze im Süden und manchmal noch darüber hinaus keinen Ladenbesitzer, keinen Geschäftsmann, keinen Bauern, keinen Politiker und keine große oder kleine Verbrecherbande, die Aleksander Savisaar kein Schutzgeld zahlten. Er arbeitete immer allein. Dank seiner Drohungen und des Vertrauens in seine Fähigkeit, auch jene, die an der Ernsthaftigkeit seiner Absichten zweifelten, mit grausamer Folter schnell zu überzeugen, musste er die Aktionen nie wiederholen.
    Als er siebenundzwanzig Jahre alt war, war sein Ruf überall bekannt. Er hatte Politiker, Polizisten und Gesetzgeber in der Hand. Er besaß Bankkonten und Grundbesitz in sechs Ländern. Ein Vermögen, wie er es sich niemals erträumt hätte.
    Es wurde Zeit, die Aufmerksamkeit auf sein Vermächtnis zu richten, aber trotz all seines Reichtums und seiner Macht wusste er nicht, wo und wie er beginnen sollte.
    Schließlich begann er auf einem Hügel in Kolossova inmitten hoch aufragender Kiefern mit dem Bau eines großen Nurdachhauses. In diesem abgelegenen, geschützten und ruhigen Winkel fällte er die Bäume, die er brauchte. Im Herbst hatte er das Holz verarbeitet

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