Im Netz des Teufels
Wenn ich wieder da bin, fährst du zu dem Motel und sorgst dafür, dass Michael Roman das Zimmer nicht verlässt. Ist das klar?«
Kolya verzog das Gesicht. »Das ist nicht besonders kompliziert.«
Aleks starrte dem jungen Mann ein paar Sekunden in die Augen, bis Kolya den Blick abwandte.
»Du wirst dich eine Weile dort aufhalten müssen«, fügte Aleks hinzu. »Du musst ihn bewachen, bis ich das Land verlassen habe.«
»Das Geld ist okay, Bruder. Keine Sorge.«
Bruder , dachte Aleks. Je eher er diesen Ort verließ, desto besser. »Gut.«
»Was soll ich dann mit ihm machen?«, fragte Kolya.
Aleks spähte auf den Griff der Pistole, die unter Kolyas Hosenbund steckte. Kolya sah den Blick. Keiner der beiden Männer sagte ein Wort.
Aleks betrachtete die Fotos der Mädchen. Er hatte sie vor der weißen Küchenwand, einem neutralen Hintergrund, fotografiert. Er nahm eine Schere aus der Schublade und schnitt die Passfotos aus. Für ihre Reisepässe brauchte er zwei Fotos von Anna und zwei von Marya.
Die Mädchen saßen auf der Couch und schauten sich einen Zeichentrickfilm mit sprechenden Fischen an.
Aleks hockte sich vor die Couch. »Wir gehen zur Post«, sagte er. »Habt ihr Lust?«
»Kommt Mama mit?«, fragte Marya.
»Nein. Sie muss arbeiten.«
»Im Krankenhaus?«
»Ja, im Krankenhaus. Aber auf dem Rückweg können wir uns etwas zu essen kaufen. Habt ihr Hunger?«
Anna und Marya sahen zuerst ein wenig ängstlich aus, doch dann nickten sie beide.
»Was möchtet ihr essen?«
»McNuggets«, antworteten die Mädchen, nachdem sie einen schuldbewussten Blick gewechselt hatten.
Abby starrte auf die Tür am Ende der Treppe und wartete. Wie jede Mutter hatte sie immer Angst um ihre Töchter gehabt. Ein Fremder in einem Auto, eine tödliche Kinderkrankheit. Sie hatte sich auch vor den rechtlichen Konsequenzen der nicht ganz legalen Adoption gefürchtet und sogar einstudiert, was sie sagen würde, wenn sie jemals vor einem Richter oder bei einer Behörde aussagen müsste. Das inständige Flehen einer verzweifelten Mutter um ihr Kind.
Aber mit so etwas hätte sie niemals gerechnet.
Ein paar Minuten später stieg Aleks die Treppe hinunter. Abby hatte längst aufgehört, sich gegen die Fesseln zu wehren. Sie spürte ihre Glieder nicht mehr.
»Brauchen Sie etwas?«, fragte er.
Abby Roman starrte ihn an.
»Ich muss etwas erledigen. Es dauert nicht lange. Ich nehme die Kinder mit.« Er durchquerte den Raum und setzte sich auf die Kante der Werkbank. Abby fiel auf, dass er sein Haar gegelt hatte. Was hatte er vor?
»Kolya bleibt hier. Sie werden tun, was er sagt.«
Abby sah auch den großen Briefumschlag in seiner Hand, auf dessen Vorderseite sie ihre Handschrift erkannte. Es war der Umschlag, in dem die Adoptionspapiere von Charlotte und Emily lagen.
Das Blut gefror ihr in den Adern. »Das können Sie nicht machen.«
»Anna und Marya wurden mitten in der Nacht aus dem Bett ihrer Mutter gestohlen. Sie gehören mir.«
Abby musste ihn fragen. Vielleicht könnte sie der Antwort irgendetwas entnehmen, was sie wissen musste. »Warum nennen Sie die Kinder Anna und Marya?«
Aleks betrachtete sie eine Weile. »Möchten Sie die Antwort auf diese Frage wirklich hören?«
Abby war sich nicht sicher. Auf jeden Fall war es gut, wenn er weiterredete. Und wenn er ihr eine Gelegenheit bot, irgendwie einzuhaken, würde sie die ergreifen. Sie bemühte sich, keine Angst zu zeigen. »Ja.«
Aleks wandte den Blick kurz von ihr ab.
»Es ist die Geschichte eines Prinzen und seiner drei Schwestern ...«
In den folgenden fünf Minuten erzählte Aleks ihr die Geschichte. Was Abby befürchtet hatte – dass sie es zwar mit einem gefährlichen, aber geistig gesunden Menschen zu tun hatte –, stimmte nicht. Dieser Mann war verrückt. Er glaubte, Koschtschei zu sein. Er glaubte, dass er gemeinsam mit seinen Töchtern unsterblich sein würde. Er glaubte, seine Töchter trügen seine Seele in sich.
Besonders die Tatsache, dass die Mädchen es wussten , nahm Abby den Atem und jagte ihr wahnsinnige Angst ein. Sie hatten sich die Bilder genau dieser Geschichte in der Bücherei angesehen.
Nachdem Aleks ihr die Geschichte erzählt hatte, stand er auf und musterte sie eine Weile. Vielleicht wartete er auf eine Reaktion. Abby war zunächst sprachlos.
»Es wird Ihnen niemals gelingen, das Land mit ihnen zu verlassen«, sagte sie dann. »Man wird Sie schnappen.«
»Wenn ich sie nicht haben kann, nehme ich ihre Essenz mit«, erwiderte
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