Im Netz des Teufels
sich. »Sie meinen als Anwalt?«
»Ja.«
»War er für Sie und Ihren Mann als Anwalt tätig?«
Sondra nahm James’ Hand in ihre. »Das könnte man so sagen.«
»Was würden Sie denn sagen, Mrs Arsenault?«
Sondra stiegen Tränen in die Augen. »Ja. Er war für uns tätig.«
»Als uns das Polizeirevier hier vor Ort angerufen hat, haben wir Mr Harkovs Akten der letzten zwölf Jahre durchgesehen. Ihr Name tauchte nirgendwo auf.«
Powell fuhr fort, ohne auf eine Antwort zu warten.
»Wie haben Sie Mr Harkov kennengelernt?«
Sondra erzählte ihr alles. Drei Mal hatten sie versucht, ein Kind zu adoptieren, und immer wieder waren sie abgelehnt worden. Bei einem Medizinerkongress in Manhattan lernte Sondra eine Frau kennen, die ihr von Harkov erzählte. Sie erinnerte sich, dass Harkov gesagt hatte, er könne gewisse Dinge umgehen, denn angesichts ihres Alters und ihres Wunsches, ein Baby und kein fünfjähriges Kind zu adoptieren, hatten sie sonst kaum eine Chance. Allerdings gegen ein entsprechendes Honorar.
»Wollen Sie damit sagen, dass Mr Harkov sich bei der Abwicklung der Adoption von Lisa und Katherine nicht an die Gesetze gehalten hat?«
Zuerst sah es so aus, als würde Sondra Arsenault weit ausholen, um alles zu erklären, doch dann sagte sie nur vier Wörter.
»Ja, das hat er.«
Powell musterte die Frau. Das war der Durchbruch, auf den sie gewartet hatte. Sie spähte zu Fontova hinüber, der schweigend auf einem dänischen Esszimmerstuhl in einem modernen, schlichten Design saß. Er schüttelte unmerklich den Kopf. Keine Fragen.
Powell stand auf und trat ans Fenster. A hatte gerade zu B geführt. Sie war auf der richtigen Spur. Bei C endeten ihre Ermittlungen. Wenn sie C hatte, hatte sie ihren Mörder.
Es war gut möglich, dass der Mann, der Viktor Harkov auf brutale Weise ermordet hatte, in dieses Haus eingebrochen war. Vielleicht gelang es ihnen, einen Fingerabdruck sicherzustellen. Vielleicht eine Wimper oder einen Tropfen Speichel. Vielleicht hatte ein Nachbar ihn gesehen. Sie würden alle befragen.
Aber wer waren Anna und Marya? War noch ein anderes Paar in Gefahr?
Und wenn, warum? Warum suchte ein Killer zwei kleine Mädchen?
Vorerst hatte Powell noch eine Frage.
»Mrs Arsenault, diese Frau, die Sie auf dem Medizinerkongress kennengelernt haben, wie hieß sie?«
Sondra Arsenault schaute auf ihre Hände. »Ihren Nachnamen weiß ich nicht, aber ich erinnere mich, dass sie Krankenschwester war. Krankenschwester für Ersthilfe. Ihr Vorname war Abby.«
34. Kapitel
Michael presste ein Ohr an die Wand des Motelzimmers und lauschte. Nebenan hörte er eine gedämpfte Stimme.
Er nahm die Fernbedienung vom Tisch, schaltete den Fernseher ein und stellte den Ton leise. Während Michael das Ohr an die Wand presste, zappte er durch die Sender. Es war Kabelfernsehen ohne Pay-TV, und daher war er bald wieder bei dem Sender, mit dem er begonnen hatte. Die Stimme nebenan stimmte mit keinem der TV-Sender überein. Entweder stammte die Stimme aus einer Radio-Talkshow, oder ein Motelgast telefonierte.
Michael schaltete den Fernseher aus, presste noch einmal das Ohr an die Wand und konzentrierte sich. Es hörte sich so an, als würde der Mann telefonieren und jemandem zustimmen. Ein Ja-Sager, der mit seinem Chef sprach. Oder mit seiner Frau.
Nach etwa fünf Minuten trat Stille ein. Michael hörte Wasser durch die Rohre fließen, aber er war sich nicht sicher, ob das Rauschen aus dem Zimmer nebenan drang. Kurz darauf wurde der Fernseher eingeschaltet. Er hörte ein paar Werbespots und dann die unverkennbare Erkennungsmelodie einer Gameshow. Nach ein paar Minuten wurde der Fernseher wieder ausgeschaltet.
Als eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde, trat Michael schnell ans Fenster und spähte über einen Spalt der Jalousie. Ein Mann mittleren Alters in einem zerknitterten grauen Anzug verließ das Motelzimmer nebenan und ging auf einen roten Saturn zu. Er zog einen Schlüsselbund aus der Tasche, suchte den richtigen Schlüssel, schloss die Tür auf und setzte sich in den Wagen. Michael sah, dass der Mann eine Straßenkarte aufklappte und eine ganze Weile auf die Karte starrte. Dann setzte er den Wagen zurück, fuhr vom Parkplatz herunter auf die Zufahrtsstraße und steuerte auf die Hauptstraße zu.
Michael spähte zu dem Motelschild hinüber. Der blaue Ford mit den getönten Scheiben stand noch immer an derselben Stelle.
Ohne eine Sekunde zu zögern, durchquerte Michael das Zimmer, presste ein Ohr
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