Im Netz des Teufels
her«, befahl er Michael.
Michael stand auf und trat ans Fenster. Kolya zog die Gardine weiter auf und zeigte hinaus. »Sehen Sie den Wagen dort? Den Wagen, der unter dem Schild parkt?«
Michael schaute aus dem Fenster. Unter dem Motelschild stand ein dunkelblauer, zehn Jahre alter Ford Contour. Er hatte getönte Scheiben, darum konnte er nicht hineinsehen. »Ja.«
»Setzen Sie sich wieder hin.«
Michael folgte dem Befehl.
»Ich hau jetzt ab«, sagte Kolya. »Ich möchte, dass Sie mir aufmerksam zuhören. Verstanden?«
»Ja.«
»Sie werden diesen Raum nicht verlassen. Sie rufen niemanden an. In dem Ford sitzt ein Mann, der für mich arbeitet. Wenn Sie die Tür dieses Zimmers auch nur einen Spalt öffnen, ruft er mich sofort an, und Ihre Familie ist tot. Ist das klar?«
Die Worte erschütterten Michael bis ins Mark. »Ja.«
»Ich rufe Sie jede halbe Stunde auf diesem Apparat hier an. Wenn Sie sich nicht nach dem zweiten Klingeln melden, ist Ihre Familie tot.« Kolya zeigte auf die Wand. »Die Frau, die hier an der Rezeption arbeitet, ist meine Cousine. Vor ihr steht eine Telefonanlage. Wenn Sie telefonieren, sieht sie es sofort. Selbst wenn Sie nur den Hörer abheben, ohne dass das Telefon klingelt, sieht sie es. Wenn Sie irgendetwas dieser Art tun, lösche ich Ihre Familie aus. Haben Sie mich verstanden?«
Michael wurde übel, als die Angst sich in seinem Inneren ausbreitete. Die Möglichkeit, dass er Abby und die Mädchen niemals wiedersah, war real. »Ja.«
»Gut.«
Kolya zeigte auf die beiden großen Lebensmitteltüten, die er mitgebracht hatte. »Da ist was zu essen drin. Sie werden eine Weile hierbleiben. Achten Sie auf eine gesunde Ernährung, Herr Staatsanwalt.«
Kolya lachte über seinen Scherz und starrte Michael eine ganze Weile an, um seine Autorität zu beweisen. Michael hatte im Laufe der Jahre unzählige Männer wie Kolya kennengelernt. Er konnte und wollte den Blick nicht abwenden. Er würde es nicht tun.
Schließlich wandte Kolya den Blick ab. Er durchquerte den Raum, sah sich noch einmal um, öffnete die Tür und ging hinaus. Michael trat ans Fenster und spähte durch die Gardine. Kolya lief auf den blauen Ford zu. Der Fahrer rollte das Fenster herunter. Kolya zeigte auf das Motelzimmer und auf seine Uhr. Ein paar Sekunden später stieg er in seinen Wagen, fuhr vom Parkplatz herunter und fädelte sich in den Verkehr auf der Hempstead Avenue ein.
Michael lief im Zimmer auf und ab.
Nie zuvor in seinem Leben hatte er sich hilfloser gefühlt.
32. Kapitel
Aleks wühlte in dem Raum, den Michael und Abigail Roman als Arbeitszimmer benutzten, in dem kleinen Aktenschrank mit den beiden Schubladen. Er überflog die Geschichte ihres Lebens und prägte sich die Eckdaten und Ereignisse ein. Er erfuhr viele Dinge. Er erfuhr, dass sie ein eigenes Haus besaßen und es bar bezahlt hatten. Sie besaßen ebenfalls ein Haus mit einem Ladenlokal auf dem Ditmars Boulevard. Aleks betrachtete die Bilder des mit Brettern vernagelten Gebäudes. Er erinnerte sich, dass dieses Haus in dem Zeitungsbericht, den er über Michael gelesen hatte, erwähnt worden war. Dort waren Michaels Eltern getötet worden. Die Pikk-Street-Bäckerei. In einem Umschlag lagen zwei Schlüssel.
Heiratsurkunde, wichtige Dokumente, Steuerbescheide, Grundstücksurkunden – die Eckpfeiler des modernen amerikanischen Lebens. Schließlich fand er die Dokumente, die er suchte. Die Adoptionsurkunden der Mädchen, Dokumente, die als Geburtsurkunden dienen würden.
Aleks setzte sich vor den Computer und begab sich auf die Suche nach einer bestimmten Behörde. Kurz darauf hörte er, dass eine Wagentür zugeschlagen wurde. Er spähte aus dem Fenster.
Kolya war zurück.
Sie standen in der Küche. Aleks roch, dass Kolya Marihuana geraucht hatte. Er beschloss, vorerst nichts zu sagen.
»Probleme?«, fragte er stattdessen.
»Nein.«
»Hast du den Führerschein?«
Kolya griff in die Tasche, zog einen Umschlag heraus und reichte ihn Aleks.
Aleks öffnete den Umschlag und zog den laminierten Führerschein heraus. Er hielt ihn ins Licht und betrachtete das schimmernde Hologramm. Es war gute Arbeit. Zufrieden steckte er den Führerschein in seine Brieftasche.
»Wo hast du ihn hingebracht?«
Kolya nannte ihm den Namen und die Adresse des Motels sowie die Zimmernummer und die Telefonnummer. Dank seines ausgezeichneten Gedächtnisses brauchte Aleks sich nichts aufzuschreiben.
Er schaute auf die Uhr. »In circa einer Stunde komme ich zurück.
Weitere Kostenlose Bücher