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Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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beantworten. Ganz einfach. Haben wir uns verstanden, Juna?« Sein Russisch war hart, abgehakt.
    Sie zuckte zusammen. Er kannte ihren Namen. Von Oleg, natürlich!
    Er packte ihre Arme. Instinktiv versuchte sie, sich ihm zu entziehen. Vergebens. Die Plastikschlaufe eines Kabelbinders zog sich fest um ihre Handgelenke. Der Mann zerrte ihre Arme hoch und befestigte die Fessel irgendwo über ihrem Kopf an der Wand. Mit einem Knie stemmte er sich gegen ihren Bauch, sein Bein drückte ihren Unterleib auf den Boden.
    Sie hörte, wie Zdenka wimmerte, fühlte die stumme Furcht der anderen Mädchen. Juna lag da, ausgestreckt vor ihm auf einer Matratze. Seine Hand an ihrem Hals. Die kräftigen, rauen Finger hielten ihr Kinn fest.
    »Ich mag das, was ich in deinen Augen sehe. Eine Herausforderung? Einen Willen? Ein wenig Verletzlichkeit …« Zum Geruch von Leder und Parfüm mischte sich ein Hauch von Zitrone, als er, nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt, mit dem Bonbon schmatzte. Seine Hand drückte ihren Hals zu. »Und diese schöne Farbe der Iris. Wie würde man sie nennen? Lagunenblau?«
    Sie biss die Zähne zusammen.
    »Ich höre leider nichts, Juna.« Er verstärkte den Druck. Sie spürte, wie sich seine Finger in ihren Hals gruben.
    Luft! Sie bäumte sich unter ihm auf, doch er hielt sie fest. Der Kabelbinder schnitt schmerzhaft in ihre Handgelenke.
    »Na?«
    Der Schmerz brachte sie zu sich. Sie ballte die Fäuste. »Vergissmeinnicht«, krächzte sie.Sollte sie je hier rauskommen, würde sie dafür sorgen, dass er sie nie mehr vergaß!
    Als der Schmerz nachließ, schnappte sie nach Luft. Sie spürte sein Gewicht auf ihr, sein Bein, das ihre Oberschenkel auseinander drückte.
    »Vergissmeinnicht … Du bist wahrlich ein Rätsel, Juna. Ich mag Rätsel. Und du anscheinend auch. Du bist auf der Suche nach jemandem, habe ich gehört.«
    Er wusste mehr, als nur ihren Namen. Als sie den Kopf drehte, packte er ihr Gesicht und zwang sie, ihn anzuschauen. »Ich höre nichts.«, zischte er. »Muss ich etwas nachdrücklicher werden?«
    »Nein«, stieß sie hervor. »Aber du hast auch nichts gefragt.«
    »Ach ehrlich? Na dann – schickt dein Vater dich?«
    Sie keuchte. »Mein Vater? Nein!«
    Was hatte ihr Vater damit zu tun?
    Sein Knie bohrte sich tiefer in ihre Magengrube. »Was weißt du über ihn?«
    Sie schluckte, sammelte ihre Gedanken. Was wusste sie schon über ihren Vater? Vier Zeilen aus dem Tao Te King kamen ihr in den Sinn:
    » Er erzeugt und besitzt nicht.
    Er wirkt und behält nicht.
    Ist das Werk vollbracht,
    so verharrt er nicht dabei. «
    »Was ist das für ein Quatsch?«, knurrte der Mann und sie glaubte, sein Gewicht auf ihr würde ihr sogleich die Rippen brechen.
    »Er ist mein … Lehrer.« Die Liebe eines Vaters hatte er ihr nicht geben können, aber immerhin eine Lebensphilosophie.
    »Dein Lehrer?«
    »Die Suche nach dem Sinn des Lebens. Und so weiter.«
    »Der Sinn des Lebens! Das ist gut!« Der Mann lachte und ließ kurz von ihr ab. Zumindest soweit, dass sie erneut nach Luft schnappen konnte.
    »Was soll mein Vater damit zu tun haben? Das verstehe ich nicht. Wir kennen uns kaum.«
    »Braves Mädchen. Siehst du, ich glaube dir sogar. Du hast anscheinend tatsächlich keine Ahnung.« Er schlug ihr ins Gesicht. Schlug noch einmal zu, dass es für einige Augenblicke nichts mehr gab als Rauschen in ihrem Kopf und tanzende, weiße Punkte vor ihrem Blick. »Aber haben wir uns nicht darauf geeinigt, dass ich hier die Fragen stelle?«
    »Ja.« Warmes Blut floss aus ihrer Nase. »Ja …«
    Sie schmeckte es auf der Zunge, schluckte es – würgte. Wollte den Kopf wegdrehen, doch seine Hand grub sich in ihr Haar und hielt sie fest.
    »Was ist mit deiner Mutter?«
    Die Mutter. Jetzt war die Angst da. Die ferne, kindliche Angst auf einem kleinen, sommerverstaubten Bahnhof, ganz Hitze und Lärm. Mutters heißfeuchte Handflächen auf ihren Wangen. ›Ich komme nach, sobald ich kann. Hörst du mich? Bis dahin pass auf Oma auf.‹ Sie sieht zu, wie ihre Oma versucht, einen überdimensionalen Koffer durch die klapprige Tür des Zuges zu zwängen. Mehr hatten sie nicht mitgenommen nach Sankt Petersburg, die glorreiche, auf den Knochen der Leibeigenen gebaute Metropole an der Newa.
    Sie ist nicht nachgekommen . Abends, vor dem Schlafengehen, war es besonders schlimm, dieses »Sie ist nicht nachgekommen«.
    »Was murmelst du da?«
    Sie riss die Augen auf. Sah ihn an, diesen Mann über ihr. Seine Hände, das Knie, das sie

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