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Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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nachdenklich, legte ihr Brötchen auf den Teller zurück und hob die Hände über die Tastatur. Während er tippte, griff sie demonstrativ nach dem Brötchen und biss ein großes Stück ab. Diese Geste müsste er doch verstehen.
    Sie erwischte eine Rosine. Igitt. Sie hasste Rosinen. Ein rascher Blick zum Flechtkorb bestätigte ihre Befürchtung: Natürlich hatte sie das einzige Rosinenbrötchen bekommen.
    Das Fenster des Übersetzungsprogramms füllte sich mit Wörtern. Gut, dass sie Deutsch verstand. Sonst hätte sie aus der kryptischen Übersetzung kaum schlau werden können: Ich habe dir aus dem Lager. Wenn ich mir Ihren Entführern war, dann würde ich Ihnen sie, wenn ich dich gefunden habe. Und nicht hat dich in meine Wohnung. Wie ein ›Finde die fehlenden Wörter‹-Spiel. Für Fortgeschrittene.
    Er behauptete also, sie aus dem Lager gerettet und hierher, in seine Wohnung, gebracht zu haben. Ja, behaupten konnte er viel!
    Seine Finger lagen noch über der Tastatur, als wolle er mehr schreiben und zögere. Sie schob seine Hände beiseite. Eine flüchtige, unbedachte Berührung, und doch hielt sie für einen Augenblick inne. Dieser Augenblick beanspruchte all ihre Sinne. Er und sie, aneinandergerückt, Schulter an Schulter vor dem Notebook. Über den Teller mit ihrem Brötchen gebeugt. Sie konnte seine unversehrte Gesichtshälfte sehen und das Lächeln in seinen Augen. Sie spürte seine Hüfte an der ihren, jede Bewegung, die er machte.
    Rasch schob sie ihren Stuhl ein Stück weit fort. Die Stuhlbeine quietschten über den Boden. Vielleicht probiert ihr eine neue Taktik , tippte sie mit Fingern, die vor lauter Befangenheit die richtigen Tasten verfehlten und sich unsicher und steif anfühlten. Mit Schlägen seid ihr ja nicht weit gekommen.
    Sie sah ihn herausfordern an und … merkte den Schmerz in seinem Blick. »Ich wünschte, ich hätte es verhindern können«, flüsterte er. »Aber das wirst du mir wohl nicht glauben. Ich habe es nun mal nicht verhindert.«
    Zögernd wandte er sich dem Notebook zu. Sie betrachtete seine Finger, die plötzlich ebenfalls steif wirkten. Sag es mir. Ich werde dir glauben. Ich habe es in deinem Blick gesehen.
    Aber er tippte es nicht ein.
    Ich bin bereit, mit dir zur Polizei zu gehen , erschien in ihrem Fenster.
    Polizei! Das Wort traf sie wie ein Hieb ins Zwerchfell. Sie bekam keine Luft mehr, packte den Monitor an der oberen Kante und klappte das Notebook geräuschvoll zu. Es dauerte ein wenig, bis ihr Verstand wieder einsetzte. Sie konzentrierte sich auf ihr Dantian und versuchte, ihr inneres Gleichgewicht wiederzuerlangen. Er hatte Polizei gesagt und nicht Miliz , und auch mit der war sie schon einmal fertig geworden, oder etwa nicht? War es nicht langsam an der Zeit, ihre Ängste abzulegen, wenn sie an einem Milizionär in der Metro oder auf der Straße vorbeiging? Ihr Atem beruhigte sich langsam.
    Gut so.
    Weiter.
    Lass die Ängste los.
    Keine Miliz, keine Polizei, alles wird … gut.
    Sie schaffte es, ihn anzuschauen, las die Verwirrung, Bestürzung in seiner Miene. »Was ist los?«, hauchte er erschrocken.
    Sie schüttelte den Kopf, biss von ihrem Brötchen ab und kaute angespannt.
    Sein Handy klingelte. »Entschuldige. Iswini .« Er holte es aus der Tasche. »Ja?«
    Er hörte eine Weile zu, dann legte er auf. »Ich muss dich wieder allein lassen. Tut mir leid.«
    Sie rührte sich nicht, sollte er doch weiterhin glauben, sie verstünde kein Wort, das er sagte.
    »Ich bin so schnell wie möglich zurück.« Er ging in den Flur. Einen Moment später kehrte er zurück, bereits in Jacke, aber noch ohne Schuhe. Er nahm ihr das Brötchen aus der Hand und riss sich die Hälfte ab. Die andere gab er ihr zurück und hastete wieder in den Korridor.
    Sie schnaubte. So viel Dreistigkeit hatte sie selten gesehen. Wenigstens hatte er ihr einen Rest dagelassen!
    Die Eingangstür schlug zu und sie hörte, wie er sorgfältig absperrte.
    Sie ließ sich gegen die Stuhllehne fallen und begann, die Rosinen aus ihrer Brötchenhälfte herauszupulen. Erst dann fiel ihr das angebissene Brötchen auf, das zu ihrer Linken lag. Sie war so sehr in das Gespräch versunken gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie sie ihr Brötchen dorthin gelegt hatte. Ein Brötchen ohne Rosinen.
    Sie betrachtete die Hälfte in ihrer Hand und spürte, wie sie rot anlief.

Nick
    Der Mann sitzt gefesselt auf einem Stuhl. Sein Gesicht ist angeschwollen und mit Blutergüssen überzogen, die in der schattigen Werkstatt

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