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Im Ozean der Venus

Im Ozean der Venus

Titel: Im Ozean der Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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irdischen Schwereverhältnissen konnte lebendes Gewebe kein Gewicht von mehr als vierzig Tonnen tragen. Die riesigen Brontosaurier des Mesozoikums der Erde besaßen zwar Beine wie Baumstämme, und dennoch mußten sie in den Sümpfen bleiben, wo der Auftrieb des Wassers sie trug.
    Das war die Antwort: der Auftrieb des Wassers. In den Meeren konnten Wesen jeder Größe existieren. Da waren die Wale der Erde, größer als jeder Dinosaurier, der je gelebt hatte. Aber diese riesenhafte Qualle über ihnen mußte zweihundert Millionen Tonnen wiegen, rechnete er. Zwei Millionen große Wale nebeneinandergelegt, würden kaum so viel wiegen. Lucky fragte sich, wie alt das Untier sein mochte. Wie alt mußte ein Tier sein, um so groß wie zwei Millionen Wale zu werden? Hundert Jahre? Tausend Jahre? Wer konnte das sagen?
    Aber die Größe konnte auch ihre Schwäche sein. Selbst unter dem Meer. Je größer es wuchs, desto langsamer wurden seine Reaktionen. Auch Nervenimpulse brauchen Zeit, um sich fortzupflanzen.
    Evans nahm an, daß das Ungeheuer deshalb keinen weiteren Wasserstrahl auf sie abschoß, weil ihm ihr weiteres Schicksal gleichgültig war oder vielmehr den V-Fröschen gleichgültig war, die die riesige Qualle lenkten. Aber das mußte nicht so sein! Ebenso war es möglich, daß das Untier Zeit brauchte, um seinen riesigen Wassersack wieder zu füllen, und Zeit, um zu zielen.
    Außerdem mußte das Ungeheuer sich keineswegs in bester Form befinden. Es war dem Leben in der Tiefe angepaßt, Wassertiefen von sechs Meilen oder mehr. Hier fühlte es sich jedenfalls bestimmt nicht zu Hause. Es hatte bei seinem zweiten Versuch die Nautilus verfehlt, vielleicht, weil es sich von dem ersten »Schuß« noch nicht erholt hatte.
    Aber jetzt wartete es – sein Wassersack füllte sich langsam –, und es sammelte Kräfte. Er, Lucky, fünfundachtzig Kilo Mensch gegen zweihundert Millionen Tonnen Ungeheuer, würde es besiegen müssen.
    Lucky blickte auf. Er konnte nichts sehen. Er drückte einen Kontakt im linken Mittelfinger des feldverstärkten Handschuhs, und ein weißer Lichtbalken schoß aus der metallenen Fingerspitze hinaus. Er stach nach oben und endete im Nichts. War das das Fleisch des Ungeheuers? Oder versiegte das Licht einfach in der Finsternis?
    Dreimal hatte das Ungeheuer Wasser ausgestoßen. Beim erstenmal war Evans' Schiff bewegungsunfähig geschlagen worden. Beim zweitenmal hatte Luckys Schiff einen weniger starken Schlag abbekommen – und der dritte »Schuß« war völlig danebengegangen.
    Er hob seine Waffe. Sie war ziemlich klobig und hatte einen dicken Handgriff. In diesem Griff befanden sich hundert Meilen Draht und ein winziger Dynamo, der große Stromstärken erzeugen konnte. Er richtete die Waffe nach oben und preßte die Faust zusammen.
    Einen Augenblick lang schien nichts zu geschehen – aber er wußte, daß der haarfeine Draht durch das Wasser nach oben schoß ...
    Dann traf er auf, und Lucky sah das Ergebnis. In dem Augenblick, wo der Draht die Fleischmassen über ihm berührte, raste eine elektrische Entladung daran entlang und traf das Hindernis mit der Gewalt eines Blitzes. Der haarfeine Draht schimmerte strahlend hell und erhitzte das Wasser ringsum zum Siedepunkt. Das war sogar mehr als Dampf, denn die Gewässer der Venus enthielten Kohlendioxyd, und eben dieses Gas ging jetzt in Lösung, – und Lucky fühlte sich von den Strömungen hochgehoben.
    Und über all dem Dampfen und Brodeln und der dünnen feurigen Linie, die nach oben griff, war da eine kugelförmige elektrische Entladung. Wo der Draht lebendes Fleisch berührt hatte, entluden sich ungeahnte Energien. Ein Loch von zehn Fuß Breite und ebensovielen Fuß Tiefe fraß sich in den lebenden Berg über ihn.
    Lucky lächelte grimmig. Das war nur ein Nadelstich im Vergleich zu der ganzen Größe des Ungeheuers, aber die Bestien würde ihn fühlen – jetzt oder wenigstens in zehn Minuten. Zuerst mußten die Nervenimpulse langsam sein Fleisch durchlaufen. Sobald der Schmerz das winzige Gehirn des Wesens erreichte, würde es von dem hilflosen Schiff auf dem Meeresboden abgelenkt werden und sich dem neuen Quälgeist zuwenden.
    Aber, so dachte Lucky grimmig, das Monstrum würde ihn nicht finden. In zehn Minuten würde er seine Stellung verändert haben. In zehn Minuten ...
    Lucky konnte den Gedanken nicht zu Ende denken. Höchstens eine Minute, nachdem sein Schuß das Scheusal getroffen hatte, schlug es zurück.
    Höchstens eine Minute war vergangen,

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