Im Palazzo sueßer Geheimnisse
machte eine weitschweifige Handbewegung.
„Nun ja, in Kinderzimmern geht es meist etwas wilder zu. Einige Paneele haben schon ziemliche Kratzer“, antwortete Michele lächelnd. „Diese hier hat mein Namensvetter übrigens eigens für Lucia anfertigen lassen. Die beiden müssen hier ihre glücklichsten Zeiten verlebt haben, obwohl eigentlich der Palazzo ihr Hauptwohnsitz war. Aber dieses Haus war für Michele eine Art privater Rückzugsort, wenn ihm das öffentliche Leben und die Aufgaben, die mit dem Amt des Dogen verbunden waren, zu viel wurden. Lucia und Michele hatten ein langes und sehr erfülltes Leben, und als er starb, folgte sie ihm nur wenige Tage später.“
Lucy seufzte.
„Eine Liebesgeschichte, wie geschaffen für dich als Romantikerin, nicht wahr?“, merkte Michele lächelnd an.
Es wurde still, und eine Weile dachte Lucy an den Löwen von Venedig und seine Lucia und hoffte sehr, dass der Ring eines Tages wiedergefunden werden würde.
Nachdem sie auf die Uhr geschaut und festgestellt hatte, wie spät es geworden war, fragte sie: „Wann ist deine Haushälterin denn wieder da?“
„Maria besucht ihre Schwester in Mestre. Wie das Wetter aussieht, wird sie dort wohl übernachten.“
Lucy fror, als sie begriff, in welch trügerischer Sicherheit sie sich gewiegt hatte. „Was … ich meine, werden wir …“
„Hierbleiben? Ich fürchte, ja.“ Er lächelte so, dass sich ihr ganzer Körper anspannte, und fügte vielsagend hinzu: „Aber uns wird sicherlich etwas einfallen, womit wir uns die Zeit vertreiben können.“
„Nein“, flüsterte sie.
„Ich denke doch .“ Plötzlich machte Michele ernst. „Verstehst du, mein Stolz steht auf dem Spiel. Ich werde nämlich gar nicht gern mit einer Schachtel Pralinen verglichen.“
„Aber ich habe nicht … ich meine …“
„Natürlich hast du es, cara .“
„Nenn mich nicht so“, protestierte Lucy.
„Vorhin hattest du nichts dagegen.“
Weil sie da noch gedacht hatte, gehofft hatte, dass die Zärtlichkeit …
Er beugte sich über sie und raunte: „Im Bett hätten wir es deutlich bequemer.“
„Nein! Rühr mich nicht an.“
„Der Gedanke scheint dich wirklich zu erschrecken.“
„Stimmt. Oh, bitte, Michele …“
„Willst du stattdessen reden?“
„Wenn du mit reden gestehen meinst, dann lautet die Antwort Nein.“
Er zuckte die Schultern. „Ich muss zugeben, ich ziehe die erste Variante vor“, sagte er, holte eine Schachtel Pralinen aus der Schreibtischschublade, zerriss das Zellophan, öffnete den Deckel und wählte mit großer Sorgfalt eine raffiniert gefüllte Trüffel.
Schließlich sah er Lucy lachend in die Augen, biss genüsslich davon ab und schob ihr die andere Hälfte in den Mund.
8. KAPITEL
Lucy hatte das nicht gewollt. Ganz unwillkürlich hatte sie den Mund geöffnet. Jetzt stockte sie, spielte mit der fast unwiderstehlichen Versuchung, ihm die Praline wieder ins Gesicht zu spucken.
Michele lächelte grimmig. „Ich würde es dir nicht raten, cara .“
Die Süßigkeit schmolz, und Lucy schluckte.
„Die war doch gar nicht so schlecht, oder?“
„Ich werde nicht so krank davon werden, wie du es dir denkst.“
Sein Kiefer spannte sich an. „Was ich mir denke, schien dich letzte Nacht nicht so gekümmert zu haben. Genau genommen, hast du dich bei mir bedankt.“
Lucy wurde rot. „Ich muss verrückt gewesen sein, mich von dir verführen zu lassen.“
„Du hast mich nicht gelassen . Du erinnerst dich vielleicht, dass es deine Entscheidung war?“
„Ist es heute Nacht auch meine Entscheidung?“
Belustigung blitzte in seinen Augen auf. „Ich denke, die Dame sollte immer die Wahl haben.“
„Und diese Dame sagt dir, geh zur …“
Michele legte ihr seinen Zeigefinger an die Lippen. „Natürlich behalte ich mir das Recht vor, dass ich versuche, ihre Meinung zu ändern.“
Lucy saß ganz still, verharrte wie gelähmt, während Michele mit seiner Fingerspitze sanft der Linie ihrer Augenbrauen folgte, über ihre Wange glitt, ihr Kinn und eine Spur des Feuers hinterließ. Ohne sie ein einziges Mal zu küssen, hatte er ein solches Begehren in ihr geschürt, dass sie sich danach sehnte, sich in seine Arme zu schmiegen, in sein Bett, in sein Herz.
Nie zuvor hatte ein Mann sie so berührt wie er. Und das, obwohl er nichts als Verachtung für sie empfand und sie nicht mehr als eine Diebin für ihn war.
Ein seltsamer Gedanke brannte in Lucy. Sie wollte ihn ausradieren, fieberhaft jedes Gefühl tilgen, das
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