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Im Paradies der Suende

Im Paradies der Suende

Titel: Im Paradies der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Mullany
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Anrichtekammer!“
    Widerwillig hoben die Angestellten ihre zerzausten Köpfe von den Kissen. Das Aufstehen wurde begleitet von finsteren Blicken und den üblichen Geräuschen junger Männer. Zuerst kroch Ivan aus dem Bett, der wie Rob aus dem Dorf kam. Splitternackt stolperte er durchs Zimmer und rieb sich die Augen. Seine Morgenlatte war nicht zu übersehen. Rob ignorierte ihn. Nach und nach tauchten auch die anderen Lakaien aus ihren Betten auf. Sie trugen Pyjamas oder Boxershorts. Murrend nahmen sie ihre Handtücher und Toilettentaschen und verschwanden im Duschraum.
    Ivan blieb bei Rob stehen. „Und, hast du eine flachgelegt?“
    „Hau ab“, sagte Rob und bezwang den Impuls, vor Ivans wippender Erektion zurückzuweichen.
    „Diese Di ist heiß, Mann. Wenn du sie nicht bumst, tu‘ ich es.“
    „Aber klar doch. Dummerweise hält sie dich nur für einen ekelhaften Idioten. Beweg deinen Arsch.“ Manchmal überlegte Rob, ob ihm alle anmerkten, wie sexuell unerfahren er war. Verdammt peinlich, wenn das rauskäme. Sogar Di schien es zu wissen. Oder ihr Freund in London hatte ihn für den Sommer zu ihrem Beschützer erkoren, was ihm nicht gefallen würde. Er wollte mehr sein als nur ihr Kumpel. Ivan offenbar auch.
    Natürlich war es schmeichelhaft, dass Ivan und wahrscheinlich auch die anderen glaubten, Rob hätte in seiner Freizeit hemmungslosen Sex - nur, weil er als einziger Angestellter ein eigenes kleines Zimmer bewohnte. Er brachte es nicht übers Herz, ihnen die langweilige Wahrheit zu gestehen. Wenn er nicht arbeitete, las er oder radelte ins Dorf zu Graham.
    „Oder dieser neue Gast“, fuhr Ivan fort, der noch immer eine Erektion hatte. „Diese Lou, oder wie sie heißt, die sieht auch richtig scharf aus.“
    „Für dich Mrs Connolly. Noch achtzehn Minuten.“ Rob schaute auf sein Handgelenk. Doch er hatte seine Armbanduhr schon abgelegt. Also rückte er die Manschette seiner Livree zurecht.
    „Also, bis gleich.“ Ivan begriff, dass das Gespräch beendet war, schlenderte zum Duschraum und kratzte sich dabei am Hintern.
    Rob ging in die Anrichtekammer - eine altmodische Bezeichnung für ein unpersönliches, modern eingerichtetes Zimmer, in dem sich die Lakaien vor Dienstbeginn versammelten. Er studierte das Tagesprogramm, das am schwarzen Brett hing. Nach dem Lunch, das als Buffet im ersten Stock serviert wurde, sollten die Gäste Tanzunterricht erhalten. Das Küchenpersonal hatte die Tische bereits geschrubbt und gedeckt. Rob und sein Team mussten nur noch dafür sorgen, dass alles reibungslos ablief, die Gerichte erklären oder Sonderwünsche erfüllen. Danach würden die Lakaien in der Küche die Reste essen und ein paar freie Stunden haben. Sie mussten den Gentlemen erst wieder zur Verfügung stehen, wenn die Herren Hilfe beim Ankleiden für das abendliche Dinner benötigten.
    So viel er wusste, hatten die Dienstboten vor zwei Jahrhunderten viel härter gearbeitet. Aber sein langer Tag würde erst nach Mitternacht enden. Bis dahin würden sie etliche Male schwere Tabletts von der Küche die Treppen hinauf und wieder hinunter schleppen. Das ersetzte immerhin den Gang ins Fitnessstudio.
    Er füllte den Wasserkocher und stellte ihn an. Eine Tasse Tee für jeden seiner Jungs - das Mindeste, was er für sie tun konnte. Seine Jungs . Vage erinnerte er sich an seinen Urgroßvater, einen Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg. Er wusste noch, wie er auf dem Schoß des alten Mannes gesessen hatte, auch wenn er damals noch sehr klein gewesen sein musste. Fasziniert hatte er zugesehen, wie er mit knotigen, schwachen Händen in einem Album voller vergilbter Fotos blätterte. Die Bilder zeigten Soldaten, die schon lange nicht mehr lebten. Das waren meine Jungs . In der zitternden Stimme des Alten hatten Stolz und Trauer mitgeschwungen. Erst jetzt verstand Rob die Solidarität zwischen Männern, die auf engem Raum zusammenlebten und für ein gemeinsames Ziel arbeiteten. Über diesen anmaßenden Gedanken musste Rob selbst grinsen. Klar, sie waren genau so wie jene Männer - allerdings ohne Giftgasangriffe, ohne Dreck und Ratten, ohne Granatenexplosionen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Was mochte aus dem alten Fotoalbum geworden sein? Hoffentlich war es beim Auszug aus dem Haus seiner Familie nicht weggeworfen worden.
    Die Tür ging Tür auf, und die ersten seiner Lakaien stapften herein. Ihre Haare waren noch feucht, die Jacken hingen über ihren Armen. Die jungen Männer nahmen sich Tassen und Teebeutel. Kurz darauf

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