Im Profil des Todes
vorstellen.
Ich dachte eher, du bist dir selbst genug.«
» Stell es dir vor, nimm es hin. « Er goss Kaffee in die Tassen. »Ich fordere immer noch verdammt viel. Ich habe allerdings gelernt, es geschickt zu verpacken.
Setz dich und iss deinen Toast.«
»Von mir forderst du nie etwas.«
»Ich fordere deine Freundschaft. Ich fordere deine Gesellschaft. Vor allen Dingen fordere ich, dass du am Leben bleibst. «
»Das sind ja wohl die selbstlosesten Forderungen, die ich je vernommen habe.«
»Da irrst du dich gewaltig. Ich bin wahrscheinlich der selbstsüchtigste Mensch, der dir je begegnet ist.«
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Völliger Blödsinn. «
»Freut mich, dass ich dich so täuschen konnte. Aber irgendwann wirst du herausfinden, dass ich dich die ganzen Jahre hinters Licht geführt habe. Ihr Slumkids solltet uns reichen Schnöseln niemals über den Weg trauen. «
»Und schon hast du das Gespräch wieder auf mich
gelenkt. Warum tust du das? «
»Ich finde mich langweilig.« Er gähnte. »Falls du es bisher noch nicht bemerkt haben solltest, ich bin ein ziemlich öder Zeitgenosse.«
»Ach, hör doch auf.«
»Nun gut, ich muss zugeben, dass ich geistreich und ausgesprochen intelligent bin, aber meine Vergangenheit ist reichlich-banal.« Er setzte sich Eve gegenüber.
»Also, was ist mit Barbara Eisley? Woran erinnerst du dich? «
Sturer Hund, er hatte ihr gerade genug erzählt, um sie abzuspeisen. Wie so oft gab sie es auf. »Wie gesagt, ich bin nicht sicher, ob ich sie kenne. Ich habe damals so viele Sozialarbeiterinnen kennen gelernt und sie blieben nie lange in ihrem Job. Kann man ihnen nicht verübeln, Techwood war nicht das sicherste Viertel. «
»Denk nach.«
»Tyrann.« Also gut, sie musste ihr selbst auferlegtes Denkverbot über diese verdammte Gegend, in der sie aufgewachsen war, aufheben. Sie ließ die Erinnerung zurückkommen. Dreck. Hunger. Ratten. Der Gestank
von Angst und Sex und Drogen. »Ich habe da eine Sozialarbeiterin vor Augen, das könnte sie sein. Sie war Ende dreißig damals, für mich war sie schon alt. Sie kam zu den Häusern in der Market Street. Ich glaube, da war ich neun oder zehn ... «
»War sie verständnisvoll? «
»Ich glaube schon. Wahrscheinlich. Ich war viel zu aufsässig, als dass ich es hätte beurteilen können. Ich war wütend auf meine Mutter und auf die ganze Welt.
«
»Dann wird es dir vielleicht schwer fallen, heute Abend eine Beziehung zu ihr aufzubauen.«
»Ich muss keine Beziehung zu ihr aufbauen. Ich muss sie nur davon überzeugen, dass sie diese Akten öffnen und uns helfen muss, dieses Kind zu finden. Wir haben keine Zeit.«
»Nicht aufregen.« Er legte seine Hände auf ihre. »So oder so, wir werden die Unterlagen heute Abend bekommen. «
Sie rang sich ein Lächeln ab. »Und wenn sie sich weigert, wirst du ein kleines Watergate im Büro der Fürsorge inszenieren, hab ich Recht? «
» Schon möglich. «
Er meinte es ernst. Ihr Lächeln schwand. »Nein, Joe, ich will nicht, dass du in Schwierigkeiten gerätst.«
»Na hör mal, ein guter Einbrecher lässt sich nicht schnappen. Und wer nicht geschnappt wird, gerät nicht in Schwierigkeiten. «
»Klingt ganz simpel.«
»Ist es. Und das Leben eines Kindes ist allemal ein kleines Risiko wert. Außerdem musst du sie nur überzeugen, dann brauch ich nicht zum Einbrecher zu werden. Vielleicht ist Barbara Eisley gar nicht so knallhart, wie Mark behauptet. Vielleicht ist sie ein ganz zahmes Kätzchen. «
»Verdammt, nein«, sagte Barbara Eisley. »Ich werde niemandem Einsicht in diese Unterlagen gewähren.
Nächstes Jahr gehe ich in Pension und ich werde keinerlei Risiko eingehen. «
Barbara Eisley war eindeutig kein zahmes Kätzchen, dachte Eve entmutigt. Schon vom ersten Augenblick an, als Grunard alle miteinander bekannt gemacht
hatte, hatte sie jedes Gespräch über die Akten
vermieden. Als Joe sie schließlich nach dem Dessert festnageln wollte, reagierte sie mit der Wucht eines Dampfhammers.
»Hören Sie, Barbara«, lächelte Grunard sie an, »niemand wird Ihnen wegen eines kleinen Verstoßes die Pension entreißen, zumal das Leben eines Kindes auf dem Spiel steht. Ohnehin sind Sie schon viel zu lange in dieser Abteilung. «
»Quatsch. Für den Geschmack des Bürgermeisters
und des Stadtrats bin ich nicht diplomatisch genug. Die warten nur auf einen Anlass, mich rauszuwerfen. Ich habe mich nur so lange auf dem Platz gehalten, weil ich weiß, wo so manche politische Leiche
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