Im Profil des Todes
vergraben ist.« Sie sah Mark vorwurfsvoll an. »Und Sie haben mich vor zwei Jahren in diesem Fall von Kindes-misshandlung zitiert. In Ihrem Bericht stand meine Abteilung als ziemlich schlampig da.«
»Immerhin bat es zu wichtigen Reformen geführt. Und das wollten Sie doch erreichen.«
»Ich habe mir gewaltig die Finger verbrannt bei der Sache. Ich hätte den Mund halten sollen. Solche Risiken gehe ich nicht mehr ein. Alles nur noch streng nach Vorschrift. Wenn ich Ihnen heute bei dieser Geschichte helfe, finden die morgen einen Weg, es gegen mich zu verwenden. Ich werde nichts tun, was meine Pension in Gefahr bringt. Ich habe zu viele alte Leute in Sozialwohnungen gesehen, die ums Überleben
kämpfen. Mir wird es nicht so ergehen.«
»Warum haben Sie Marks Einladung dann überhaupt
angenommen? «, fragte Joe.
»Abendessen umsonst.« Sie zuckte die Achseln.
»Außerdem war ich neugierig.« Sie wandte sich Eve zu. »Ich habe über Sie gelesen, aber die Zeitungen produzieren viel heiße Luft. Ich wollte mir selbst ein Bild davon machen, was aus Ihnen geworden ist.
Erinnern Sie sich an mich? «
»Ich glaube schon. Aber Sie haben sich sehr ver-
ändert. «
» Sie auch. « Sie musterte Eves Gesicht. » Sie waren ein zähes kleines Mädchen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich einmal mit Ihnen reden wollte und Sie mich nur angestarrt haben. Ich war sicher, mit vierzehn würden Sie auf den Strich gehen oder mit Rauschgift handeln. Ich hätte Ihnen gern noch eine Chance
gegeben, aber ich hatte zu viele Fälle.« Müde fügte sie hinzu: »Es sind immer zu viele Fälle. Zu viele Kinder.
Und meistens sind wir machtlos. Wir nehmen sie den Eltern weg und die Gerichte geben sie ihnen prompt wieder zurück. «
»Aber Sie geben sich Mühe.«
»Weil ich so dumm bin, dass ich die Hoffnung nicht aufgebe. Man sollte meinen, nach all diesen Jahren hätte ich dazugelernt, stimmt's? Aus Ihnen ist etwas geworden, aber damit hatte ich nichts zu tun. «
»Für manche Kinder spielen Sie gewiss eine wichtige Rolle. «
»Kann schon sein.«
»Jetzt können Sie wirklich etwas bewirken. Sie können ein kleines Mädchen retten.«
»Besorgen Sie mir einen Gerichtsbeschluss. Wenn es so wichtig ist, dürfte das ja kein Problem sein.«
»Das geht nicht. Ich habe Ihnen doch erklärt, dass ich den Amtsweg nicht beschreiten kann. «
Barbara Eisley schwieg.
»Also gut, Sie wollen uns die Unterlagen nicht geben, aber vielleicht erinnern Sie sich an das Kind«, sagte Joe.
Ein unbestimmbarer Ausdruck huschte über ihr Ge-
sicht. »Ich bin nicht mehr in der Sozialarbeit. Ich bin nur noch mit Papierkram beschäftigt.«
Eve beugte sich vor. »Aber Sie wissen irgendetwas.«
Eisley schwieg einen Augenblick. »Vor zwei Jahren musste ich mein Einverständnis geben, ein Mädchen aus einer Pflegefamilie herauszunehmen. Ihre Pflege-eltern behaupteten, sie sei gewalttätig und ungehorsam. Ich ließ das Mädchen kommen, um sie zu befragen. Sie sprach nicht mit mir, aber sie war übersät mit blauen Flecken. Ich sah mir den ärztlichen Untersuchungsbericht an und stellte fest, dass sie im Jahr zuvor zweimal mit Knochenbrüchen ins Grady Hospital eingeliefert worden war. Ich gab meine Zustimmung, dass man sie aus der Familie herausnahm. Außerdem strich ich die Leute von unserer Pflegeliste. « Sie lächelte. »Ich weiß noch, dass ich sie für ein ziemlich mutiges Mädchen gehalten habe. Sie hatte diesen
Leuten mächtig die Hölle heiß gemacht.«
»Wie heißt sie?«
Sie überhörte Eves Frage. »Sie war ein cleveres
Mädchen. Hoher IQ und gut in der Schule. Sie hatte sich ausgerechnet, dass die Familie sie als Einnahme-quelle aufgeben würde, wenn sie nur genügend Ärger machte. «
»Sie haben sie zu einer anderen Familie gegeben?«
»Wir hatten keine andere Wahl. Die wenigsten Pfle-geeltern misshandeln die Kinder, aber manchmal machen wir natürlich auch Fehler. Wir versuchen unser Bestes. «
» Sagen Sie mir ihren Namen. «
Eisley schüttelte den Kopf. »Nicht ohne Gerichts-
beschluss. Was ist, wenn ich mich irre?«
»Und was ist, wenn Sie richtig liegen? Er könnte sie umbringen, verdammt noch mal. «
»Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, Kin-
dern zu helfen. Jetzt muss ich an mich selbst denken.
«
» Bitte. «
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe viel gearbeitet. Ich arbeite immer noch viel. Sie glauben wahrscheinlich, in meiner Position bräuchte man keine Arbeit mit nach Hause zu nehmen.« Sie deutete mit dem
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