Im Rachen des Alligators
auf dieses Mädchen. Er sah die Sonne über dem Ödland aufgehen, die grauen, von Flechten überkrusteten Felsbrocken waren rosa eingefärbt, am Straßenrand ein, zwei Männer mit Angelruten. Die Teiche zwischen den Felsen waren wie Metall, in jedem konnte man eine zweite Sonne sehen. Er würde dafür sorgen, dass Colleen Clark in Zukunft jedesmal, wenn sie eine Zuckerdose sah, an ihn denken musste.
Colleen
Ich gehe in den Spirituosenladen im Einkaufszentrum, und es sind vier Angestellte im Laden. Es ist der Tag vor dem Diversionstermin, und ich bin aufgedreht und nervös. Ich nehme eine Flasche Wodka und eine Flasche Wein aus dem Regal, gehe an die Kasse und sage: Den hat mir meine Freundin geschenkt, aber ich mag keinen Wodka, deshalb würde ich ihn gern gegen diesen Wein tauschen, der Preis ist fast der gleiche. Die Verkaufstheke ist wie ein Hufeisen geformt, und es stehen Körbe darauf, die in bunte Zellophanfolie gehüllt und mit Schleifen verziert sind, Weinflaschen mit Korkenziehern, edle Weingläser.
Zur Not kann ich einen der Geschenkkörbe mit einem sanften Schubs zu Boden befördern. Die Frau hinter der Theke fragt: Haben Sie den Kassenzettel dabei?, und ich sage: Es war ein Geschenk, deshalb möchte ich es ja umtauschen, und der Geschäftsführer dreht sich um und fragt: Hat sie die Flasche dabeigehabt, als sie reingekommen ist?, und die andere Frau, die gerade jemanden an der Kasse abgefertigt hat, fragt: Haben Sie einen Ausweis dabei? Die Arme des Geschäftsführers stehen ein Stück vom Körper ab, als hätte er eine Daunenjacke an, und er dehnt und streckt seine Finger. Die Frauen hinter der Theke treten näher zu ihm hin. Oder stehen schon neben ihm. Sie bilden eine Phalanx, sind bereit zuzuschlagen.
Und ich sage: Ich will nichts kaufen, sondern etwas umtauschen. Hinter mir steht ein Kunde, ich drehe mich um, es ist ein großer Mann, vielleicht einen Meter achtzig groß, mit ziemlich langen Haaren und total schönen grauen Augen, allerdings ist er garantiert über vierzig, wahrscheinlich alt genug, um mein Vater zu sein, und vielleicht hat er gesehen, wie ich den Wodka aus dem Regal genommen habe, aber der Witz ist, wenn ich mir das Allerschlimmste, was ich in irgendeinem gebenenen Moment tun könnte, erst einmal vorgestellt habe, muss ich es tun. Ich muss sehen, was passiert.
Ich bin eigentlich ins Einkaufszentrum gegangen, um mir ein Paar Ringelsocken zu kaufen, aber als ich an dem Spirituosenladen vorbeiging, kam mir der Gedanke, dass ich dort etwas stehlen könnte. Ich wollte wissen, wie es ausgehen würde. Ich spüre meinen Puls, das Pochen meines Bluts, wegen dem, was gleich geschehen wird, und dem, was bereits geschehen ist. Ich sage zu dem großen Mann hinter mir: Tut mir leid, dass ich Sie aufhalte. Ich versuche, entspannt und aufrichtig zu klingen. Selbst wenn er gesehen hat, wie ich die Flasche aus dem Regal genommen habe, wird er an dem, was er gesehen hat, zweifeln. Zwei oder drei Minuten vielleicht wird er daran zweifeln, und dann bin ich längst über alle Berge.
Augenblick mal, sagt der Geschäftsführer.
Ich sage: Ich sehe schon, dass Sie mir nicht helfen können, und ich habe vollstes Verständnis, ich werde ihn wohl einfach weiterverschenken müssen.
Ich verlasse den Laden mit dem Wodka, und als ich um die Ecke gebogen bin, ziehe ich meine Jacke an, setze die Sonnenbrille auf und schiebe die Flasche unter die Jacke, und ehe sie auch nur den Mund wieder zuklappen konnten, bin ich schon auf dem Parkplatz.
Madeleine
Es gibt ein Problem mit der Ausstattungsabteilung. Guy Leblanc, der Kameramann, will die Innenaufnahmen bei natürlichem Licht machen, und dazu sind Oberlichter erforderlich, in die Torfdächer müssen Löcher geschnitten werden. Wo steht denn im Budget etwas von Oberlichtern?, wollen sie in der Ausstattungsabteilung wissen. In den 1830ern gab es natürlich keine Oberlichter.
Auf Madeleines entsprechenden Hinweis hatte Guy scharf die Luft eingezogen, als hätte sie ihn geohrfeigt. Film ist ein impressionistisches Medium, hatte er gesagt, als wäre sie völlig bescheuert.
Man erzählt nicht, wie es wirklich ist, sagte er. Sondern das, was man erzählt, wird Wirklichkeit. Er war wichtigtuerisch und gereizt. Sie liebte seine Tiraden. Er konnte so unglaublich französisch sein. Sie fand es wunderbar, wie er ganze Bibliotheken voll historischer Forschung abtat, indem er die Augen schloss und sich von Wellen des Ärgers erfassen ließ. Er war kahl bis auf einen stets
Weitere Kostenlose Bücher